Der Schweizer Faber verbindet Balkanfolk mit italienischem Frauenhelden-Image.

Foto: APA/Herbert P. Oczeret

Rin hat seine Bros hinter sich. Auch wenn vor der Bühne mehr los war als auf ihr.

Foto: APA/Herbert P. Oczeret

Gangsta-Rapper RAF-Camora mit Anhang beschäftigte die Massen.

Foto: APA/Herbert P. Oczeret

Thunderpussy mussten in der Nebenhalle ran. Janis Joplin und David Bowie haben sicher auf sie heruntergeschaut.

Foto: APA/Herbert P. Oczeret

Der US-Rapper Macklemore überzeugte mit Physis, zahlreichen Begleitmusikern und vielen Kostümwechseln.

St. Pölten – Der zweite Tag des FM4-Frequency-Festivals gibt Anlass, über ein paar diesjährige Neuerungen nachzudenken: Bezahlt wird nun nicht mehr nur bargeldlos, also über eine ausgegebene Karte, sondern direkt mit dem Festivalbändchen am Handgelenk, in das man diese Karte praktischerweise integriert hat. Der vom Thermen-Urlaub abgeschaute Bezahluhr-Schmäh (man konsumiert in der Regel natürlich noch emsiger) schützt immerhin Besinnungslose, die früher auf ihrem Spießrutenlauf zurück ins Zelt überall kleine Geldgeschenke hinterlassen haben, und sich nach dem Aufwachen beim besten Willen nicht mehr an ihren Bankomatcode erinnern konnten.

Abhilfe in solchen Fällen verspricht man sich neuerdings auch vom Festival-Yoga. Praktizierende können hier bei einschlägigen Stellungen wie röhrender Hirsch, betrunkene Schlange oder großer Headbang ihre innere wie äußere Mitte neu entdecken. Man ist dann genau so lange entspannt, bis einem der tägliche Electronic-Dance-Music-Animateur mit nervenschädigender Stechschrittmusik ins Kreuz springt. Gestern übernahm diesen für die Aufrechterhaltung der inneren Unruhe wichtigen Job der Duracell-DJ Afrojack.

Balkanfolk trifft italienischen Frauenhelden

Zuvor gab es aber schon auch echte Musik. Der Schweizer Senkrechtstarter Faber ist gewissermaßen die Personifikation der Yogaübung röhrender Hirsch. Schon jetzt mit 25 gibt er den in sich ruhenden, aber schwer verletzlichen Frauenhelden, der von fleischlicher Liebe und seinen stechenden Brustschmerzen singt. Stimmlich bewegt sich Faber derzeit auf der Tiefe von, sagen wir, Paolo Nutini, hinunterarbeiten wird er sich, sofern viel Whiskey, Tschick und Toblerone-Schoko im Spiel ist, aber noch in Richtung Joe Cocker. Das ist fix.

FABER

Musikalisch bekommt man bei Faber und seiner Begleitband eine tanz- wie schunkelbare Mischung aus Balkanfolklore, Italoschlager, Brass und Salsa-Anklängen. Für die politische Erziehung des Jungspunds ist Papa Pippo Pollina verantwortlich. Der italienischstämmige Liedermacher hat einst schon mit Konstantin Wecker im Verbund das Leid in der Welt besungen. Fabers Fokus liegt vorerst einmal auf der Freude am Beischlaf. Nicht ohne Macho-Attitüde, aber angeblich ist das alles ironisch gemeint. "The future ist female" , war auf dem T-Shirt des Posaunisten zu lesen.

Hipster-Rap und Macho-Sprechdurchfall

Erwartungsgemäß viel Andrang herrschte beim deutschen Yung-Hurn-Spezl Rin. Als Live-Logo hat sich der Cloud-Rapper ein abgewandeltes Eurosport-Emblem zugelegt. So statisch der Rest der Show ablief, so sportlich ging es zu Hits wie Bros oder Nightlife im Publikum zu: Der Moshpit, wie man das Bilden eines Kreises für den Pogo-Tanz nennt, wurde bei Rin von einer tiefergelegten DJ-Stimme explizit eingefordert.

Massen strömten später zum Wiener Gangsta-Rapper RAF-Camora. Dessen luzide Tropical-Beats sollten nicht davon ablenken, dass es in den Texten bezüglich Sexismus und Gewaltverherrlichung recht unterirdisch zugeht. Zitat aus Vienna: "Verbrenn' Nutten, wenn sie meinen Schwanz schlucken wie Flaschen Tabasco". Sprechdurchfall nennt man das wohl.

Medizin verabreichten die bezeichnenderweise zeitgleich in der Nebenhalle aufspielenden Thunderpussy: Das feministische Frauenquartett rund um die Sängerin Molly Sides aus Seattle persifliert die Posen des Classic Rock in Lack, Leder und Spandex-Anzügen. Besonders wohltuend: Ein perfektes Jefferson-Airplane-Cover von Somebody to Love.

BOLLIVIDZ

Kontrastmittel zum Chauvinisten-Rap bot schließlich auch noch der US-amerikanische Hip-Hop-Superstar Macklemore. Seine Liveperformance ging weit über das hinaus, was man von ihm als belanglose Hintergrundbeschallung aus dem Formatradio kennt. Besonders Macklemores am Gospel anstreifende Lieder bescherten schöne Momente. Tanz und Choreografie, Ansagen, Videos und fliegende Kostümwechsel – alles 1A. (Stefan Weiss, 18.8.2018)