Blechverstärkung für die Zähne und Pferdeschwanz sind neu: Left Boy, mit bombastischer Show in St. Pölten.

Foto: APA/Herbert P. Oczeret

Tropen-Flötenmeister Kygo, eine Lichtgestalt der EDM-Branche, spielte auch live am Flügel.

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St. Pölten – So ziemlich jede Generation findet irgendwo eine einigende Klammer. Der Musikgeschmack der heute etwa 15- bis 25-Jährigen orientiert sich – so viel kann man sagen – stark an Rap und Bass in jeder erdenklichen Ausformung. Da hilft das ganze kulturpessimistische Gesudere der Altvorderen nichts. Die nächsten Rolling Stones werden höchstwahrscheinlich einmal an Knöpfchen drehen und ihre Texte zu wummernden Stampfattacken aus dem Laptop vortragen. An dieser Stelle darf geschluckt werden.

Auf den Samstag des FM4-Frequency-Festivals in St. Pölten hatte sich dennoch eine jener mittlerweile rar gesäten jüngeren Gitarrenbands eingeschlichen, die es wert ist, genauer betrachtet zu werden: The Vaccines, 2010 in London gegründet, hatten mit ihrem Debütalbum What Did You Expect from the Vaccines? Hoffnung auf eine große Zukunft gegeben.

TheVaccinesVEVO

Mittlerweile hält man beim vierten Album (Combat Sports erschien 2018), und muss – so ehrlich sollten wir sein – noch immer von den alten Hymnen des Erstlings zehren. Dabei hätte das Quartett mit seinem Sixties-Style, gepaart mit der kühlen Trotz- und Rotzhaltung des Britpop, alles Nötige in der Hand. Dass bei ihrem laut Sänger ersten Österreichkonzert in acht Jahren trotzdem Stimmung aufkam, lag daran, dass Indie-Hits wie Wreckin’ Bar (Ra Ra Ra), Post Break-Up Sex oder If You Wanna noch immer jeder im Hinterkopf gespeichert hält.

Als Retter des Rock positioniert sich neuerdings aber ohnehin ein anderer. Ausgerechnet der Wien-stämmige Wahl-New-Yorker und bisherige Elektro-Rapper Left Boy sah sich bemüßigt, mit seinem jüngsten Album Ferdinand das heilige Tor zum Gitarrenriff aufzustoßen. Dass ihm das gar nicht so schlecht gelungen ist, hätte man in St. Pölten (auch bei ihm das erste Konzert seit vier Jahren) gerne live gehört. Er kam nur nicht wirklich dazu. Das angepeilte Set musste wegen unnötiger Spielereien mit kurz abgefeierten Evergreen-Samples wie Sweet Dreams, Seven Nation Army, Call Me Maybe, Jump Around oder – haha, lustig – dem Sirtaki, gekürzt werden.

Klopapierschlacht und Stangerleis

Das enorme Potential der neuen Left-Boy-Show war trotzdem erkennbar. Das Haupthaar trägt der 29-Jährige derzeit rockig lang und zu einem Pferdeschwanz gebunden, dazu eine Kappe, für die Zähne gibt es eine Blechverkleidung, die einem im reflektierenden Scheinwerferlicht die Augen einhaut. Man muss sich Left Boy aktuell ungefähr so vorstellen wie den DVD-Händler seines Vertrauens auf der Pornomesse Vösendorf, nur cooler.

MADE JOUR LABEL

Lange rappten er und seine beiden Co-MCs vor einem schwarzen Vorhang mit der Aufschrift "Back on! Top soon", bevor dieser dann theatralisch fiel und den Blick auf einen vier Meter hohen DJ-Turm freigab. Ab da ging die Post ab. Toll etwa die Nummer Got Damn vom neuen Album, richtig ins Mark gingen Security Check und Get It Right. Auf Deutsch sprach Left Boy, der bürgerlich Ferdinand Sarnitz heißt, erstmals gegen Ende der Show beim Song Bitte brich mein Herz nicht Baby. Zu Jack Sparrow gab es eine Schlacht mit Klopapierrollen, zuvor hatte die Left-Boy-Crew das Publikum schon mit Stangerleis versorgt. In Summe noch keine ganz runde Show, aber hoch ambitioniert allemal.

Casper begeistert, Kygo lässt tanzen

Ganz ähnlich gestrickt ist auch das Musikkonzept von Casper. Er produziert deutschen Poprock-Rap mit Elektroeinschlag für die Teenager-Massen. Die machten ihm am Frequency pflichtgetreu den Hof. Casper dankte es etwa damit, dass er mitten in der Menge, gut 100 Meter von der Bühne entfernt, zu Werke ging. Und das nicht schlecht.

Den passenden Sound zur Tropenhitze, die den Festivalbesuchern das gesamte Wochenende über nonstop zu Kopf gestiegen war, hatte dann noch der Star-DJ Kygo parat. Er ist der König des Tropical House. Dieser wird einen Deut langsamer gespielt als die klassische Variante, zentrales Merkmal der Musik sind paradiesisch klingende Flötenmelodien, die schnurstracks in die Hüften fahren.

KygoOfficialVEVO

Bei der ekstatischen Show schossen Feuer- und Rauchfontänen in die Luft, am Schluss überraschte der norwegische Remix-Meister noch mit einer Livedarbietung am Flügel: Den Song Firestone spielte Kygo eigenhändig mit einem Sänger und Streichern. Im Publikum schwenkte man dazu lustige Aufblaspalmen. Der nächste Sommer kommt bestimmt! (Stefan Weiss, 19.8.2018)