Festival-Eröffnung im Wolkenturm in Grafenegg.

Foto: Lukas Beck

Grafenegg – Der Krieg ist der umtriebige Zuhälter des Todes, er führt ihm seit Menschengedenken massenhaft Kundschaft zu. Da sein Gegenspieler, der Friede, ein fragiler Zeitgenosse ist, gilt: Je länger es keinen Krieg gegeben hat, desto lauter muss man vor ihm warnen. Oder an seine Schrecknisse erinnern. Dies geschah am Freitag in Grafenegg: Mit einer Gedenkveranstaltung des Landes Niederösterreich wurde die zwölfte Ausgabe des Festivals eröffnet. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner beschwor die Wichtigkeit einer "Erinnerungskultur", Hausherr und Pianist Rudolf Buchbinder beschrieb Musik sanftstimmig als "Radikalität, die durch Klugheit gezähmt" würde.

Autorin Marlene Streeruwitz, Schauspielerin Mercedes Echerer sowie die ehemaligen Politiker Andreas Khol und Franz Vranitzky (v. li.) bei der Gedenkveranstaltung.
Foto: Lukas Beck

Dann wurde kurz über die radikalen Zustände der Jahre 1918 und 1938 sinniert: Altbundeskanzler Franz Vranitzky bot einen historischen Aufriss ihres Zustandekommens, Andreas Khol beschrieb die einstige Republik Deutschösterreich als "das Land, das keiner wollte". Wie soll man heute auf Radikalisierungstendenzen reagieren? Mercedes Echerer rief dazu auf, den Dialog mit Andersdenkenden zu suchen.

Marlene Streeruwitz definierte Krieg als eine "Männerkonstruktion", um "miteinander zu raufen". In einem dieser Raufhändel starb 1918 der englische Dichter Wilfred Owen. Einige seiner Gedichte über die Gräuel des Ersten Weltkriegs arbeitete Benjamin Britten in sein War Requiem ein, das vom Tonkünstler-Orchester Niederösterreich unter der Leitung von Yutaka Sado aufgeführt wurde.

Wohlklang und Alarm

Mit Lucas Meachem, Christian Elsner und Anna Samuil wurde eine solistische Trias aufgeboten, deren Bandbreite sich von weichem Wohlklang bis zu alarmierender Sirenenschärfe spannte. Für himmlische Töne waren die Wiener Sängerknaben zuständig, der Wiener Singverein fesselte mit Intensität und suggestivkräftigem Vortrag. Yukari Saito leitete das mit orchesterfremden Fachkräften bestückte Kammerorchester präzis.

Während der Aufführung wanderte der Mond vom Wolkenturm in Richtung Schloss. Was er auf seinen einsamen Erdumrundungen in den vergangenen 100 Jahren mitanschauen musste, wissen wir. Was er in den nächsten 100 Jahren zu sehen bekommt, liegt zum Teil auch in unserer Hand. Begeisterung in Grafenegg. (Stefan Ender, 19.8.2018)