Mattersburg ist derzeit der Watschenbaum der Liga.

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Martin Pucher ist eine Auster: fest verschlossen. Das hat der Chef des SV Mattersburg immer so gehalten. Und stets hat er damit in Kauf genommen (oder gar mit diebischer Freude beobachtet), dass es darum brodelt und dampft und hitzig wird in der Gerüchteküche. Wo Information nicht fließt, sondern sich staut, blüht üppig das Raunen.

So wie jetzt gerade. Nach dem blamablen 2:4 in Hartberg und der samstägigen 0:6-Beschämung gegen den WAC wäre auch unter normalen Bedingungen Feuer am Dach. Zwischen diesen beiden sportlichen Bracholdern setzte es allerdings auch organisatorische Kopfstücke: Co-Trainer und Videolanalyst Renato Gligoroski wurde hochkant hinausgeworfen. In der Gerüchteküche heißt es, der 41-Jährige habe im Zusammenhang mit dem schon unter Dach und Fach geglaubten Transfer des 22-jährigen aserbaidschanischen Stürmers Ramil Sheydaev "seine Kompetenzen überschritten".

Eine der Grundfragen

Was insofern eh wurscht wäre, weil aus dem Transfer nichts geworden ist. Der SVM muss also, so wie es ausschaut, mit dem Vorhandenen vorliebnehmen: einer nunmehr nachweislichen Nudeltruppe, die in den ersten vier Runden 14 Gegentore erhalten hat, zehn davon bei Aufsteiger Hartberg und daheim gegen Wolfsberg.

Die Frage, warum das so ist, ist eine der Grundfragen des Fußballspielens. Zwei "schwarze Tage" hintereinander – das 3:2 in Altach und das erst späte 0:2 daheim gegen Salzburg sind ja aller Ehren wert gewesen – ist als Erklärung selbst dann zu wenig, wenn es zutreffen würde.

Der Fußball folgt diesbezüglich den alten, in Blutfehden und Sündenbockritualen gestärkten Rhythmen. Darum heißt es jetzt: Trainer Gerald Baumgartner sei angezählt und Sportchef Franz Lederer, der am Samstagsdebakel gar nicht teilgenommen hat, werde verabschiedet. Von Martin Pucher wird kolportiert, er wolle nunmehr die ganze sportliche Führung austauschen. Was man wohl wird ausschließen dürfen. Jedenfalls vor der Länderspielpause. Damit hätte das mit so viel Ambition ins neue Jahr gestartete Team zwei Auswärtspartien (Admira und die Austria) lang Zeit, sich an den eigenen, dünn gewordenen Haaren herauszuziehen aus dem nur allzu bekannten Sumpf des Tabellenkellers.

Der Watschenbaum

Dass am Samstag die Kärntner im Windschatten des Spielglücks (nichtgeahndeter Handselfer von Ex-Mattersburger Michael Novak) gelaufen sind, versucht man in Mattersburg eh nicht als Ausrede anzuführen. Man weiß ja selber, wie schwer es oft sein kann, das Spielglück (vergebener Elfer in Hartberg) am Schopf zu packen.

Das ist eine Qualität, die nicht geringzuschätzen ist. Michael Liendl, der aus mehr als 40 Metern das Tor des Spiels (oder Monats, oder Jahres) erzielte, hat seinen Wert mit einem Triplepack unter Beweis gestellt, Marc André Schmerböck mit dem seinen nicht minder. Der WAC ist unter Coach Christian Ilzer eine rechenbare Größe geworden.

Der SVM, im Gegenteil, eine berechenbare. Anders ausgedrückt: ein Watschenbaum. Aus einem vom 4-3-3 zum 4-1-4-1 changierenden Spielsystem wurde bald ein die 1800 Zuschauer vor den Kopf stoßendes 4-5-1, wobei zwischen dem Fünf und dem Eins namens Marko Kvasina meist eine 20-Meter-Lücke sich auftat, die in der unansehnlichen Taktik des langen Balles münden musste.

Martin Pucher entschuldigte sich fürs Gebotene. Fürs organisatorisch Geschehene bat er, seinem Wesen als Auster treu bleibend, um Geduld. (Wolfgang Weisgram, 19.8.2018)