Putin hat seine Gastgeberin übertölpelt.

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Es war keine gute Idee, dass Österreichs Außenministerin Karin Kneissl den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu ihrer Hochzeit eingeladen hat. Als der Kreml überraschend annahm, hätte sie klugerweise eine Ausflucht suchen und die Einladung zurücknehmen sollen.

Aber die ganze Episode hätte für Kneissl und Österreich noch relativ glimpflich ablaufen können, wenn die Ministerin vor und während der Hochzeit etwas Urteilsvermögen an den Tag gelegt hätte. Stattdessen ist Putins Besuch in der Südsteiermark zum Super-GAU geworden und hat Kneissl politisch ruiniert.

Propagandafilm für Putin

Denn sie hätte nie zulassen dürfen, dass ein russisches Kamerateam als praktisch einziger Medienvertreter Bilder von der Hochzeit als Propagandafilm für Putin um die Welt schickt. Sie hätte ihre Freude über den hohen Besuch bei ihrer Provinzhochzeit nicht so offen an den Tag legen dürfen.

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Und dass sie schließlich nach einem Tanz mit Putin vor ihm in die Knie geht, war eine Schande. Der Knicks war unnötig – man kann einen Tanz auch stehend beenden – und hat als Bild eine Botschaft: ein Kniefall des kleinen Österreichs vor dem starken Mann aus Moskau. Daran wird sich jeder erinnern, solange Kneissl Außenministerin ist.

Vor dem Despoten auf den Knien

Wie will sie in Zukunft mit europäischen oder internationalen Amtskollegen über Krisen sprechen, in die Russland involviert ist – und davon gibt es viele –, ohne dass dieses Bild in den Köpfen der Gesprächspartner herumschwirrt? Wie will sie glaubhaft machen, dass sie Putins Vergehen in der Ukraine, in Syrien oder auch im eigenen Land im Gleichschritt mit den EU-Partnern be- und verurteilt? Wie will sie bis Jahresende als Vertreterin des EU-Vorsitzes von den Amtskollegen ernst genommen werden? Wie will sie als Demokratin gelten, wenn sie vor einem Despoten in die Knie geht?

Dass das alles Absicht war, um die Russland-Freundlichkeit der FPÖ zu betonen, ist unwahrscheinlich. Putin hat seine Gastgeberin übertölpelt. Kneissl, noch vor einem Jahr eine Lehrbeauftragte und Publizistin ohne politische Erfahrung, hat sich am vielleicht schönsten Tag ihres Lebens einfach mitreißen lassen und dabei eine ungeheuerliche Instinktlosigkeit an den Tag gelegt. Sie wird wohl im Amt bleiben, weil die FPÖ niemand anderen hat. Aber als Außenministerin ist Kneissl seit dem Kniefall vom Samstag eigentlich untragbar. (Eric Frey, 20.8.2018)