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Philosophische Diskussionen zur besten Sendezeit machen Donald Trumps Anwalt Rudy Giuliani zu schaffen.

Foto: AP / Charles Krupa

Washington – Der Anwalt von US-Präsident Donald Trump, Rudy Giuliani, hat am Sonntagabend mit einem Interview im TV-Sender NBC für Aufregung gesorgt. Der ehemalige Bürgermeister von New York sagte dem Moderator der politischen Wochenendsendung "Meet the Press", Chuck Todd, sein Mandant sollte seiner Ansicht nach nicht vor Sonderermittler Robert Mueller aussagen, weil "Wahrheit nicht Wahrheit" sei.

Gemeint war damit, dass Trump sich mit Aussagen über ein Gespräch mit dem damaligen FBI-Chef James Comey in rechtliche Schwierigkeiten bringen könnte, bei dem Aussagen gegen Aussagen stehen. Giuliani steht dennoch wegen der Äußerung in der Kritik. Ihm wird vorgeworfen, den Begriff der Wahrheit für die politischen Zwecke der Regierung zu verzerren. Viele Kommentatoren fühlen sich in diesem Zusammenhang auch an den Begriff der "alternativen Fakten" erinnert, den ebenfalls die Trump-Regierung geprägt hat.

"Wahrheit ist nicht Wahrheit", findet Trump-Anwalt Rudy Giuliani.

Hintergrund der aktuellen Diskussion: Comey behauptet, Trump habe ihn nach der Entlassung von Kurzzeit-Sicherheitsberater Michael Flynn im Winter 2017 ersucht, die Ermittlungen gegen diesen fallenzulassen, weil Flynn "ein guter Mann" sei. Trump bestreitet diesen Vorwurf, der ihm unter Umständen als verbotene und strafbare "Behinderung der Justiz" ausgelegt werden könnte.

Angst vor der Meineidfalle

Giulianis etwas bizarr klingende Aussage zur Wahrheit hatte sich konkret an der Frage entzündet, wer in diesem Fall über die größere Glaubwürdigkeit verfüge. Giuliani hatte gesagt, er werden den Präsidenten nicht zu der Causa aussagen lassen, weil dieser "in eine Meineindfalle" tappen könnte, wenn seine Aussage jener Comeys widerspräche.

Dem entgegnete Todd, dass dies wohl kaum der Fall sein könne, wenn der Präsident die Wahrheit sage. "Wenn Sie mir sagen, dass er ruhig aussagen solle, weil er ja die Wahrheit sage und er sich daher keine Sorgen machen müsse, dann ist das albern. Denn es geht um eine Version der Wahrheit, nicht um die Wahrheit", sagte darauf Giuliani. Wahrheit sei eben nicht Wahrheit.

Der angesprochene Comey schaltete sich zu dem Gespräch auf Twitter mit dem Hinweis ein, dass es durchaus eine Wahrheit gebe. "Wahrheit existiert, und sie ist wichtig", schrieb er, sie sei stets ein Eckpunkt des amerikanischen Rechts und politischen Lebens gewesen. Wenn sie nicht mehr zähle, könne das Justizsystem und auch die Gesellschaft nicht mehr funktionieren.

Kellyanne Conway erschafft ein geflügeltes Wort: "alternative Fakten".
NBC News

Viele Beobachter fühlten sich von der Diskussion an die Debatte über "alternative Fakten" erinnert. Von diesen hatte die Präsidentenberaterin Kellyanne Conway vor einem Jahr ebenfalls in "Meet the Press" gesprochen. Sie hatte damals versucht, Angaben des Präsidenten, die sich als faktisch falsch herausgestellt hatten, mit der Phrase als eine mögliche Zweitversion der Realität darzustellen. Die Aussage wurde zum Symbol für Verzerrungen der Wahrheit, wie sie Gegner der Trump-Regierung dieser vorwerfen.

"Was Sie sehen und hören, ist nicht das, was passiert", sagte Donald Trump jüngst vor Veteranen.
John Nelson

Trump selbst hatte vor einigen Wochen mit einer Rede vor Veteranen für Aufregung gesorgt, in der er ebenfalls die Wahrheit infrage stellte. Er sagte den teils betagten ehemaligen Mitgliedern der US-Streitkräfte, sie sollten Medienberichten nicht vertrauen. "Was Sie sehen und hören ist nicht das, was passiert.

"No Collusion"

Giuliani war wegen seiner ungewöhnlichen Äußerungen schon mehrfach in die Kritik geraten, seit er vor einigen Monaten sein Amt als Trump-Anwalt antrat. So hatte er in der TV-Sendung "Fox & Friends" behauptet, der Präsident habe in seiner Wahlkampagne zwar keine geheimen Absprachen mit anderen Staaten getroffen, die in den USA unter dem Oberbegriff der "collusion" (juristisches Deutsch: Kollusion) geführt werden. Aber selbst wenn, sei seiner Rechtsauffassung nach Kollusion gar kein Verbrechen.

US-Präsident Donald Trump habe zwar keine Kollusion mit Russland betrieben, sagt sein Anwalt Rudy Giuliani. Aber wenn doch, dann wäre das auch kein Verbrechen.
Clips 8

Giuliani bezog sich damit darauf, dass der Begriff der Kollusion tatsächlich nicht im Gesetz vorkommt. Allerdings sind eine ganze Reihe der Verhaltensweisen, die im Sprachgebrauch als Kollusion zusammengefasst sind, durchaus verboten – und zum Teil mit beträchtlichen Strafdrohungen versehen. (Manuel Escher, 20.8.2018)