Die venezolanische Regierung will die Benzinpreise in den Griff bekommen. Sprit soll demnach bald nicht mehr billiger sein als Wasser.

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Venezolanische Flüchtlinge passieren die Grenze zu Brasilien – dort kontrolliert die Polizei ihre Papiere, momentan reichen dafür noch Personalausweise aus.

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São Paulo/Caracas – Mit einem Euro kann man in Venezuela einen Kaffee trinken gehen oder 20.000 Mittelklassewagen volltanken. Grundnahrungsmittel wie Reis, Milch und Öl sind in dem krisengebeutelten Land nur schwer aufzutreiben. Benzin hingegen gibt es meistens – und praktisch gratis. Ein Liter kostet sechs Bolívar, für umgerechnet einen Euro gibt es rund eine Million Liter Treibstoff. Damit soll nun Schluss sein, denn von diesem Montag an will die sozialistische Regierung die Treibstoffpreise langsam auf internationales Niveau anheben.

Empfänger von Sozialhilfe und den öffentlichen Verkehr will Präsident Nicolas Maduro beim Benzinkauf finanziell unterstützen. Dass das Unterfangen zur Erholung der Wirtschaft beitragen wird, wird schon im Vorfeld bezweifelt. Die Opposition wirft Maduro den Aufbau einer Diktatur, Misswirtschaft und Korruption vor. Der Präsident hingegen sieht sich als Opfer eines von den USA angeführten Wirtschaftskriegs gegen sein Land.

"Ich hoffe, dass wir in zwei Jahren diese Missbildung beenden, die über lange Zeit gewachsen ist. Wir haben das Benzin praktisch verschenkt", sagte Maduro. Die Regierung geht davon aus, dass sie allein durch Benzinschmuggel nach Kolumbien und in die Karibik pro Jahr 18 Milliarden Dollar (16 Milliarden Euro) verliert. Registrierte Regierungsanhänger, Sozialhilfeempfänger und der öffentliche Nahverkehr sollen aber weiterhin mit direkten Subventionen unterstützt werden.

Flucht nach Brasilien

Die Wirtschaftskrise gepaart mit politischer Verfolgung von Regimekritikern hat Ausmaße angenommen, die viele Menschen ins benachbarte Brasilien flüchten lassen. Doch dort kommt es zu gewalttätigen Konflikten mit der brasilianischen Bevölkerung – weshalb die Regierung zunächst 120 Soldaten ins Grenzgebiet schickt: Dutzende aufgebrachte Einwohner hatten am Samstag zwei Lager mit Flüchtlingen aus Venezuela im brasilianischen Grenzort Pacaraima angegriffen und teilweise zerstört. Sie waren laut brasilianischen Medienberichten darüber erzürnt, dass vier venezolanische Flüchtlinge in der Nacht zuvor ein brasilianische Geschäft überfallen haben sollen. Allerdings hat die Polizei bisher keine Täter festgenommen – ob es sich wirklich um Venezolaner gehandelt hat, ist unsicher.

Der Emigrationsdruck aus Venezuela ist hoch: Vielfach beträgt das Einkommen der Bürger dort nur wenige Dollar im Monat, die Inflation soll heuer eine Million Prozent betragen. Dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge ist die venezolanische Wirtschaft 2017 um zwölf Prozent geschrumpft, Hunderttausende haben das Land angesichts der sich seit Jahren zuspitzenden Krise bereits verlassen.

Währungsabwertung

Dass es bei einem Tag nicht bleiben wird, machen sie schon im Vorfeld klar. Es sei der "erste Tag des Protests und der Arbeitsniederlegung gegen Maduro, die Hyperinflation und den Hunger". Anlass dafür ist, dass Venezuela am Montag eine einschneidende "Geldumstellung" bevorsteht. Im Kampf gegen die Inflation werden fünf Nullen der Landeswährung Bolívar gestrichen. Der sozialistische Präsident Nicolás Maduro will damit gegen die Hyperinflation und die schwere Wirtschaftskrise antreten, was faktisch eine Abwertung des Bolívar um 96 Prozent nach sich zieht.

Im Zuge der Währungsreform werden auch neue Geldscheine gedruckt. Der "Bolívar soberano" soll an die neue Kryptowährung Petro gekoppelt sein und parallel zum "Bolívar fuerte" existieren. Zudem soll der Mindestlohn um rund 3.000 Prozent angehoben werden. Auch die Steuern für Unternehmen sollen steigen. (red, APA, 20.8.2018)