Blumen hat Tayyip Erdoğan der deutschen Regierung zuletzt nicht gerade überreicht, schon gar nicht rhetorisch. Diese überlegt dennoch, seinem Land nun zu helfen.

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SPD-Chefin Andrea Nahles findet, man müsse die Türkei unbedingt im Westen halten – notfalls auch durch Hilfe für die Regierung von Präsident Tayyip Erdoğan.

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Berlin – Der türkische Präsident Tayyip Erdoğan geht in der aktuellen Finanzkrise in die Offensive. Er meint, die Türkei werde sich durch Wechselkurse nicht in die Knie zwingen lassen, und das Land habe die Kraft und die Macht, diese Krise zu überstehen. Diejenigen, die glaubten, dass sie die Türkei zum Aufgeben bringen könnten, würden bald sehen, dass sie sich irrten. Außerdem vergleicht er einen Angriff auf die türkische Wirtschaft mit einem Angriff auf den Aufruf zum Gebet.

WTO soll entscheiden

Auf Drängen Ankaras soll sich die Welthandelsorganisation (WTO) mit den US-Strafzöllen auf Stahl und Aluminium aus der Türkei befassen. Ein entsprechender Antrag zu einem Streitschlichtungsverfahren sei eingegangen, teilte die WTO am Montag mit. Zunächst haben beide Seiten 60 Tage Zeit, miteinander zu reden. In dem Handelskonflikt fahren Ankara und Washington einen harten Kurs.

US-Präsident Donald Trump hatte die Strafzölle für die Türkei vor einer Woche auf bis zu 50 Prozent verdoppelt – als Reaktion auf den Fall des US-Pastors Andrew Brunson, der in der Türkei unter Hausarrest steht. Ankara wehrte sich mit einem Katalog von 22 Produkten. Dazu gehören unter anderem Autos, alkoholische Getränke, kosmetische Produkte, Tabak, Papier und Reis aus den Vereinigten Staaten. Auch für sie wurde der Einfuhrzoll verdoppelt.

Zwist in deutscher Koalition

In der deutschen Koalition wird währenddessen nach einem Vorstoß von SPD-Chefin Andrea Nahles am Wochenende über Finanzhilfe für die Türkei debattiert. Nahles hatte gesagt, es könne die Situation eintreten, dass Deutschland der Türkei unabhängig von den Verstimmungen mit Erdoğan helfen müsse, weil sonst eigene Interessen bedroht seien. Ähnlich äußerte sich auch der ehemalige Wirtschafts- und Außenminister Sigmar Gabriel in mehreren Interviews. Berlin müsse im eigenen Interesse "alles tun, um die Türkei im Westen zu halten". FDP und Union sehen weitere Hilfen hingegen kritisch.

"Die Türkei ist ein Nato-Partner, der uns nicht egal sein kann. Es ist in unser aller Interesse, dass die Türkei wirtschaftlich stabil bleibt und die Währungsturbulenzen eingedämmt werden", hatte Nahles zu den Medien der Funke-Gruppe gesagt.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel denkt nicht an Finanzhilfen für die Türkei. Merkel sehe keine Notwendigkeit über Hilfen zu sprechen, twitterte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer am Montag nach einer Sitzung der Parteispitze.

Kritik auch von den Grünen

CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt sagte der "Rheinischen Post" vom Montag, ein politischer Kurswechsel in Ankara sei die Voraussetzung. "Die Ursache für die Wirtschafts- und Währungskrise in der Türkei sind die fahrlässigen Äußerungen von Präsident Erdoğan mit Blick auf die Unabhängigkeit der Zentralbank und die Rechtsstaatlichkeit." Ohne entsprechende Änderungen mache Hilfe keinen Sinn. "Wenn die türkische Regierung allerdings umschwenken würde, könnte man über Hilfen nachdenken. Wir haben ein Interesse an einer starken Türkei – aus politischen und ökonomischen Gründen."

Die deutschen Grünen warnten hingegen vor "Blankochecks" für die Türkei. "Finanzielle Hilfe kann es nur unter der Bedingung der Rückkehr des Landes zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit geben", sagte Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock dem "Tagesspiegel". (mesc, APA, Reuters, 20.8.2018)