Die Wiener Philharmoniker vor der Salzburger Kulisse

Foto: Salzburger Festspiele, Anne Zeuner

Salzburg – Dreimal die Fünfte, zweimal die Zweite, je einmal die Erste und die Siebte Sibelius. Das ist nicht viel in 98 Jahren. In die überschaubare Reihe von Sibelius-Aufführungen bei den Salzburger Festspielen mit Größen wie Saraste, Bernstein oder Jansons fügt sich als vorläufiger Höhepunkt für die nächsten Jahrzehnte die Erstaufführung der Vierten mit den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Herbert Blomstedt.

1987 haben "die Wiener" laut Festspielarchiv unter Leonard Bernstein die Fünfte gespielt; und nun anno 2018 – laut Herbert Blomstedts Programmheft-Notiz zum ersten Mal überhaupt öffentlich – die Vierte.

Blick zurück auf verblasste Romantik

Die Symphonie Nr. 4 a-Moll op. 63 von Jean Sibelius aus 1911 ihrer Zeit ein wenig hintennach, wie alle Symphonien des Finnischen Komponisten, wirft quasi posthum einen Blick zurück auf eine verblasste Romantik, in der auffahrende Höhen und dräuende Tiefen eingeschliffen wurden auf graufarbige Ergebung. Romantische Exaltiertheit medikamentös gedämmt.

Doch wie viele Facetten von "Grau" wusste Herbert Blomstedt, der immerhin schon 30 Jahre jung war, als Sibelius 1957 verstarb, diesem verinnerlichten Werk abzuringen. Wie hoffnungsvoll erblüht im dritten Satz da ein Flötensolo, dort ein Bläserchoral – um noch im Aufblühen in leeren Akkorden zu verblassen. Das offene Ende des zweiten Satzes ist ein plötzliches Ersterben ohne jegliche Vorwarnung: Radikaler ist ein "sinnloser Tod" nicht in Musik gesetzt worden, auch nicht von den Größten.

Aufregend und beklemmend

Herbert Blomstedt macht das so aufregend wie beklemmend deutlich. Im puren Nichts verklingt etwa auch der nur in Gedankenfetzten vorüberziehende Kondukt im vierten Satz. Eine Erinnerung an etwas, das vielleicht nie gewesen ist… Die Herzen gefroren schier an diesem heißen Sonntag-Vormittag angesichts dieser radikalen Interpretation.

Danach, zur Wiederbelebung der Sinne, eine weitere vierte Symphonie: die "Romantische" von Anton Bruckner, in der die Versatzstücke der Romantik wie Hornruf, Vogelsang und Waldeslust noch nicht aus ihrer Zeit gefallen waren. Dass Bruckner trotz des munteren Einsatzes all dieser Topoi mit seiner Symphonie Nr. 4 Es-Dur WAB 104 natürlich keine simple "Naturmystik" in Töne gesetzt hat, machten Herbert Blomstedt und die Wiener Philharmoniker mit ihrer ebenso strahlenden wie scharf analysierenden Wiedergabe deutlich. (Heidemarie Klabacher, 20.8.2018)