Bremerhaven – Schmelzwasserseen im Permafrost der Arktis könnten den globalen Klimawandel neuen Forschungsergebnissen zufolge erheblich beschleunigen. Durch den tauenden Permafrost wachsen die Seen, an ihrem Grund frisst sich das Wasser immer tiefer in den bisher gefrorenen Boden. Wie ein internationales Forscherteam festgestellt hat, dürfte sich der bakterielle Abbau von Pflanzenresten in Seesedimenten dadurch schon in wenigen Jahrzehnten enorm verstärken – und damit auch der Ausstoß von Methan und Kohlendioxid.

Der Permafrost der kalten Arktis konserviert wie eine gigantische Kühltruhe riesige Mengen abgestorbener Biomasse, vor allem Pflanzenreste. Für gewöhnlich tauen während des kurzen arktischen Sommers nur die obersten Schichten für einige Monate auf, ehe sie im Herbst wieder zufrieren. Mit dem Klimawandel aber verstärkt sich das Tauen. Es setzt früher ein und hält länger an, die sommerliche Auftauschicht wird tiefer und alte Biomasse taut vermehrt auf. Das Problem: Im auftauenden Boden werden Bakterien aktiv, die die uralte Biomasse abbauen und durch ihren Stoffwechsel die Klimagase Kohlendioxid und Methan freisetzen.

Video zur Studie.
NASA Goddard

Klimamodelle anpassen

Klimasimulationen berücksichtigten dieses beschleunigte Abtauen bisher nicht, warnte Thomas Schneider von Deimling vom Alfred-Wegener-Instiutut in Bremerhaven. Wie er und seine Kollegen nun in der Fachzeitschrift "Nature Communications" berichteten, sollte der Effekt daher "unbedingt" in die Berechnungen einfließen. Bis 2050 könnte so bereits doppelt so viel Treibhausgas aus den arktischen Permafrostböden aufsteigen wie heute angenommen.

Über zehn Jahre beobachtete das internationale Forscherteam den Gasausstoß an Seen im US-Bundesstaat Alaska und kombinierte die Erkenntnisse mit der Auswertung von Satellitenbildern und Computersimulationen, um die Entwicklungen in einem weltweiten Maßstab abzuschätzen. Sie stellten dabei fest, dass der Boden unter den sich im auftauenden Permafrost bildenden Schmelzwasserseen sehr schnell weiter auftaut.

Methan steigt aus dem Permafrost empor.
Foto: Katey Walter Anthony/University of Alaska Fairbanks

Gefürchteter Kippunkt

Der Grund: Ab einer gewissen Wassertiefe gefriert das Wasser auch im Winter nicht mehr. Fäulnisbakterien zersetzen dann permanent die seit Jahrtausenden im Untergrund tiefgefrorenen Pflanzenreste, was vor allem das extrem starke Treibhausgas Methan freisetzt. Neu sei die Beobachtung, dass der Effekt tatsächlich so ausgeprägt sei, dass er als "abruptes Tauen" bezeichnet werden könne, schreiben die Experten.

Permafrostböden bedecken weite Gebiete der Nordhalbkugel – vor allem in Russland, Kanada, Alaska und Westchina. Seit der jüngsten Eiszeit konservieren sie gigantische Mengen organischen Materials in teils hunderte Meter dicken Torfschichten. Wenn diese auftauen, beginnt die Zersetzung. Das Phänomen ist bereits seit längerem als möglicher sogenannter Kipppunkt im Klimasystem bekannt. Dies sind bestimmte Rückkopplungseffekte, die den Klimawandel unumkehrbar machen könnten. (red, APA, 20.8.2018)