Prag/Wien – Die Panzer von vier Warschauer-Pakt-Staaten, die vor 50 Jahren in die Tschechoslowakei rollten und dort den Reformsozialismus "mit menschlichem Antlitz" plattwalzten, erschütterten auch das Nachbarland Österreich. In der Bevölkerung und bei vielen Politikern bestand die Sorge, dass die unter sowjetischer Führung stehende "Operation Donau" eskalieren und letztlich auch zu einem Konflikt zwischen Wien und Moskau führen könnte.

Wohl noch unter dem Eindruck der sowjetischen Besatzung nach dem Zweiten Weltkrieg, die erst 13 Jahre zuvor mit der Unterzeichnung des Staatsvertrags zu Ende gegangen war, betonte der damalige Bundeskanzler Josef Klaus (ÖVP) die Verpflichtung Österreichs zur Neutralität. Die heimischen Truppen sollten sich der eigenen Staatsgrenze bis auf maximal 30 Kilometer nähern. Damit sollte verhindert werden, dass Österreich infolge möglicher Grenzverletzungen in einen militärischen Konflikt hineingezogen wird.

In der Tat kam es zu einigen Verletzungen des Luftraums durch Armeeflugzeuge des Warschauer Pakts, erklärt der Historiker Stefan Karner im Gespräch mit dem STANDARD. Auch von politischer Seite sollten diese jedoch nicht hochgespielt werden, so Karner. Erst mehrere Tage später habe man dem sowjetischen Botschafter im österreichischen Außenministerium eine Protestnote überreicht – "in bereits entspannterer Atmosphäre".

"Gütliches Zureden"

Schnell zeichnete sich ab, dass Österreich infolge der Besetzung der Tschechoslowakei zum Erstaufnahmeland zahlreicher Flüchtlinge werden würde. Der damalige Außenminister und spätere Bundespräsident Kurt Waldheim wies die Gesandtschaft in Prag an, nur noch Österreicher einzulassen. Tschechoslowakische Bürger, die bereits vor Ort waren, sollten "durch gütliches Zureden zum Verlassen des Gebäudes bewegt werden", hieß es laut Karner in der entsprechenden Depesche.

Die Botschaft wurde damals von Rudolf Kirchschläger geleitet – einem anderen späteren Bundespräsidenten. Dieser ignorierte die Anweisung und ließ tausende Visa ausstellen. Bis Herbst 1969 kamen mehr als 200.000 tschechoslowakische Flüchtlinge nach Österreich. Eine wichtige Rolle spielten auch der ORF und andere heimische Medien, die Österreich zum Hauptumschlagplatz für Informationen aus der Tschechoslowakei machten. (schub, 21.8.2018)