Foto: Ramona Zmolnig

Liebes Europäisches Forum Alpbach,

du legst viel Wert auf Pluralität und eine offene Gesellschaft. In Anbetracht aktueller politischer Entwicklungen in Europa weiß man diese Prioritäten zu schätzen. Daher scheint auch dein diesjähriges Thema "Diversität und Resilienz" angebracht. Angesichts dieses Mottos habe ich mir natürlich die Frage gestellt, wo deine Diversität sichtbar wird.

Diversität findet sich jedenfalls in deinem Programm. 17 Tage lang referieren und diskutieren bei dir Persönlichkeiten aus verschiedenen Disziplinen. In der Seminarwoche wurde über Fäkalientransplantation genauso gesprochen wie etwa über Sexismus oder Transsexualität. Was man dir also nicht anlasten kann, ist mangelnde Diversität in deinen Inhalten.

Sieht man sich dein Publikum an, kann jedoch von gelebter Vielfalt noch nicht die Rede sein: Im August verwandelst du dich in einen Mikrokosmos bestehend aus einem elitären Zirkel – der vor allem männlich und im gehobenen Alter ist und seinen Lebensmittelpunkt in Wien oder einer anderen größeren Stadt hat. Elitär sind deine Gäste auch nicht nur aufgrund ihres Bildungsgrades sowie ihres familiären und finanziellen Backgrounds, sondern auch aufgrund ihrer Hautfarbe. Während die Gesellschaft Europas durch Zuwanderung immer bunter wird, bleibt die Klientel, die sich jährlich bei dir trifft, ein relativ homogener Kreis. Das ist nicht nur mein Eindruck, sondern auch Ergebnis deiner Studie unter uns Stipendiatinnen und Stipendiaten.

Dein Team hebt immer wieder hervor, dass sich unter deinen Gästen fast 700 Stipendiatinnen und Stipendiaten aus 92 Ländern befinden. Zugegeben, das klingt beeindruckend. Der tobende Applaus war dir gewiss. Die Studie, an der 44,2 Prozent von uns Stipendiatinnen und Stipendiaten teilgenommen haben, zeigt aber ein anderes, weit weniger pluralistisches Bild: Tatsächlich stammt ein großer Anteil aus Österreich (38 Prozent) – so europäisch und kosmopolitisch du dich also gerne gibst, bist du gar nicht. Die einzigen Nationen, die es in ihrer Repräsentation zumindest über die Zwei-Prozent-Grenze geschafft haben sind Italien, Deutschland, Großbritannien, die Ukraine, Rumänien und China. Fast 70 Prozent der Stipendiatinnen und Stipendiaten sind weiß. Schon klar: Damit sind wir zwar etwas bunter als die übrigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer, aber von wirklicher Diversität ist dein Publikum noch weit entfernt.

Liebes Forum Alpbach, du bist die Ausnahme unter den österreichischen Polit-Veranstaltungen, weil ich dank dir nicht mehr die einzige person of color im Raum bin. Ich würde mir jedoch wünschen, dass du als Vorbild vorangehst und den Mehrwert ethnischer Vielfalt noch stärker ins Bewusstsein rückst. Erinnere dich an die Keynote Speech von Joseph Stiglitz, Professor an der Columbia University an deinem Eröffnungsabend: "It is clear that we are more resilient, if we have more diversity." (Ramona Zmolnig, 21.8.2018)