Eine Erkenntnis brachte Karin Kneissls Hochzeit: Wladimir Putins Walzerkünste sind ausbaufähig.

Foto: Alexei Druzhinin/Russian Presidential Press and Information Office/TASS

Ist die breite Empörung über Karin Kneissls außenministeriellen Knicks nach ihrem Hochzeitstänzchen mit Russlands Präsident Wladimir Putin gerechtfertigt? Zumindest nicht, was die Etikette und die technische Ausführung angeht.

Kneissl habe sich "total der Etikette nach" verhalten, sagt Tanzschulchef Thomas Schäfer-Elmayer, der dies als anerkannter Experte für gutes Benehmen wohl wie kein Zweiter beurteilen kann. Das Compliment sei als fixer Bestandteil der Quadrille bei Balleröffnungen wie dem Opernball präsent. Die Außenministerin habe das Compliment "perfekt gemacht, es könnte nicht besser sein", beurteilt Schäfer-Elmayer, der das Verständnis Kneissls für die österreichische Kultur lobt.

Er könne natürlich die Aufregung nachvollziehen: Wenn jemand sage, Merkel würde derlei nie machen, dann liege das aber daran, dass diese unsere Kultur nicht kenne. Aus Tanzlehrersicht sind jedenfalls Putins mangelnde Walzerkünste zu kritisieren, auch wenn seine Reaktion auf den Knicks mit Handkuss und Verbeugung aus der Etikettesicht ebenfalls perfekt seien.

Dass Kneissl den Walzer besser beherrscht als ihr Tanzpartner, davon geht Schäfer-Elmayer aus: "Man muss seine Kenntnisse immer dem Schwächeren anpassen." Für die Ministerin ist der Knicks lediglich Teil des Tanzes mit einem persönlichen Gast auf einer privaten Feier, wie ihr Sprecher erklärte – die Kritik kommentiere man nicht. So halten es auch die EU-Kommission und Außenbeauftragte Federica Mogherini: Man wollte am Montag nichts zum Hochzeitsgast Putin sagen.

Serielle Empörung

Der Aufruhr um Putins Besuch bei Kneissls "schönstem Tag" ist lediglich der Zuckerguss auf der außenpolitischen Torte der österreichischen Regierung. Nicht nur die von der FPÖ nominierte Kneissl, sondern auch diverse Aktionen von Funktionären und Parteimitgliedern vor allem des kleineren Regierungspartners sorgten in den vergangenen Monaten für eine serielle Empörung in den traditionellen wie auch den sozialen Medien.

Zuletzt sorgte die Kambodscha-Reise zweier FP-Politiker zwecks Wahlbeobachtung für Aufruhr. Im Februar sorgte Vizekanzler Heinz-Christian Strache für Diskussionen, weil er in einem Interview sagte, dass der Kosovo aus serbischer Sicht immer noch Teil Serbiens sei, während FP-Generalsekretär Harald Vilimsky im Juli mit einer Wortwahl, die beim Elmayer vermutlich nicht goutiert würde, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Trunkenheit beim Nato-Gipfel in Brüssel unterstellte.

Ärger zuhauf

Im Mai gab es Aufregung, weil der österreichische Israel-Botschafter Martin Weiss auf Empfehlung Kneissls an der Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem teilgenommen hat. Seit Juni wiederum läuft eine intensive Debatte über Pläne des Außenministeriums, den Südtirolern zum Ärger der italienischen Regierung österreichische Pässe zuzuerkennen.

Im Dauerkonflikt mit der Türkei sorgte Kneissl für Entspannung, bewahrte gleichzeitig jedoch die ablehnende Haltung in der Frage eines türkischen EU-Beitritts und reagierte zuletzt bei der Debatte über Moscheenschließungen souverän auf Anwürfe aus Ankara. Die österreichischen Grabungen in Ephesos konnten nach zwei Jahren Pause kürzlich wieder aufgenommen werden – ein klares Symbol für eine Rückkehr auf eine rationalere Ebene in den Beziehungen zwischen Ankara und Wien. (Michael Vosatka, 20.8.2018)