Sowjetische Panzer in Prag während des Prager Frühlings.

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Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babiš.

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Ehemaliger EU-Abgeordneten Daniel Cohn-Bendit.

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Andrej Babiš betrauert die Abwesenheit klarer Verhältnisse. Koalitionen, so Tschechiens Ministerpräsident in der Doku 1968: Der Prager Frühling ist vorbei (Dienstag in Menschen & Mächte, 22.30 Uhr, ORF 2), sind doch nur mühselige Zeitvernichter. Der populistische Politiker macht dafür Václav Havel verantwortlich, den legendären Dichterpräsidenten. Dessen größter Fehler sei es gewesen, so Babiš, kein Präsidialmodell wie in den USA etabliert zu haben.

Dass heute Leute wie Babiš, ein euroskeptischer Milliardär, der sein Land von Flüchtlingen abschottet, in Tschechien das Sagen haben, ist ein Hinweis darauf, dass die Ideale des Prager Frühlings keinen hohen Stellenwert mehr genießen.

Heute vor 50 Jahren beendete die Invasion der Armeen des Warschauer Pakts das wagemutige Experiment der Schaffung eines "Sozialismus mit menschlichem Antlitz". Es war ein Spagat, der nicht gelingen konnte. Das Streben nach Freiheit, Gerechtigkeit und Pluralität zerschellte 1968 an den Panzern. Es folgte die 20 Jahre währende Phase der sogenannten "Normalisierung", realiter harte Repression und die Wiederherstellung diktatorischer Verhältnisse.

Während für Daniel Cohn-Bendit die Vorgänge vor 50 Jahren den "Beginn des endgültigen Scheiterns des real existierenden Kommunismus" markieren, sind sie für Babiš schon ganz weit weg. Er lässt seine Regierung von der KSČM stützen, von Tschechiens nach wie vor nichtreformierter kommunistischer Partei. Obwohl Babiš wie auch Alexander Dubček, die Leitfigur des Prager Frühlings, in der Slowaken geboren wurden, bleibt der kleinere Nachfolgestaat der Tschechoslowakei in der Doku gänzlich ausgeblendet – wie so oft bei solchen Gelegenheiten. (Michael Robausch, 21.8.2018)