"Glück auf" wie bei den Bohrungen für den Brennerbasistunnel kann man dem Standortentwicklungsgesetz im Parlament nur wünschen. Die Kritik reißt nicht ab.

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Gut möglich, dass auch das Nachhaltigkeitsministerium einen kritischen Entwurf zum Standortentwicklungsgesetz abgegeben hat. Die Öffentlichkeit soll davon allerdings nichts erfahren. Denn im Gegensatz zu Rechnungshof, Richtervereinigung, Dachverband der Verwaltungsrichter, Kammern, Landesregierungen und Umweltorganisationen hält das von der angestrebten Beschleunigung von Umweltverträglichkeitsprüfungen für standortrelevante Großprojekte per se tangierte Umweltministerium mit seiner Stellungnahme hinterm Berg. Einen Kommentar zu dem von vielen Seiten als verfassungs- und unionsrechtswidrig kritisierten Gesetz gab das von Elisabeth Köstinger geführte Nachhaltigkeitsministerium auch am Montag auf Nachfrage des STANDARD nicht ab.

Man habe eine umfassende Stellungnahme abgegeben, versicherte ein Sprecher des Ministeriums, richte einem anderen Minister aber nichts öffentlich aus. Ähnlich dürften es mit der brisanten Materie auch Verfassungsdienst und Justizministerium halten. Weder die vom Bundeskanzleramt ins Justizministerium übersiedelten Verfassungswächter noch das Reformministerium veröffentlichten auf der Parlaments-Website Stellungnahmen. Über die Gründe für das Schweigen schweigt man sich auch auf Nachfrage aus.

Wirkung fraglich

Umso harscher gingen Richtervereinigung und Rechnungshof (RH) mit dem Vorhaben ins Gericht, das zu automatischen Genehmigungen von Großprojekten führen soll, sollte jenen von der zuständigen UVP-Behörde nicht binnen zwölf Monaten anderes beschieden werden. Wohl würdigt der Leiter der Prüfungssektion des RH das Bemühen um Verfahrensbeschleunigung, er prophezeit allerdings: Das Gesetz werde seine Wirkung verfehlen, weil der Ausgleich zwischen den Interessen des Antragstellers, der Öffentlichkeit und der Verfahrensbeteiligten im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens nicht mehr ausreichend stattfinden könnte, wenn das Vorhaben automatisch genehmigt wird.

Diese Genehmigungsfiktion könnte den Gleichheitsgrundsatz verletzen, manche Projekte würden unterschiedlich, also bevorzugt, behandelt. Auch könne per Fristablauf nicht über Landesmaterien wie Wasserrecht entschieden werden. Eine Ausnahme von der UVP-Änderungs-Richtlinie, wie von der Industrie ins Spiel gebracht, hält der RH übrigens für unwahrscheinlich. Eine solche Ex-lege-Genehmigung gebe es nur unter der Voraussetzung, dass die Ziele der Richtlinie verwirklicht würden. Und das sei bei dem Gesetz nicht der Fall

Rechtsschutz in Gefahr

Die Richtervereinigung attestiert, dass der Gesetzentwurf "in mehreren Punkten nicht den verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben entspricht und daher in dieser Form abzulehnen ist". Der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz würde ausgedünnt, der wirksame Rechtsschutz gemäß Grundrechtecharta sei in Gefahr. "Der Entwurf verkennt im Übrigen, dass lange Verfahrensdauer oftmals nicht in der Sphäre der Behörde und/oder des Gerichts liegt, sondern Komplexität des Sachverhaltes (...) geschuldet ist."

In dieses Horn stößt auch Franz Meier vom Umweltdachverband: "Die Behauptung, UVP-Verfahren dauerten überlang und würden von NGOs mutwillig verzögert, ist blinder Aktionismus." (Luise Ungerboeck, 21.8.2018)