Nabil hatte Glück im Unglück. Drei Monate in einem Zelt in Traiskirchen, ein Monat in einem Massenquartier der Diakonie – dann fand der 19-jährige Syrer eine private Unterkunft in einem Altbau in Wien-Josefstadt, zur Verfügung gestellt von einer wohlhabenden Dame. Zwei Monate konnte der vor dem Krieg geflüchtete Student dort kostenlos bleiben, dann vermittelte die Caritas eine Zwei-Zimmer-Wohnung in einem Abbruchhaus für ihn und einen Freund. Eineinhalb Jahre später suchte er für sich und seine nachkommende Familie eine permanente Bleibe – und fand sie in einer Genossenschaftswohnung, deren Mieter einen Nachmieter suchte. 18.000 Euro an Eigenmitteln lieh ihm die Dame aus der Josefstadt.

Nabils Geschichte ist aber die absolute Ausnahme, berichtet Anita Aigner von der TU Wien. Sie hat gemeinsam mit Studierenden eine Studie über die Wohnsituation von Flüchtlingen verfasst, dafür wurden 21 Asylberechtigte bzw. subsidiär Schutzberechtigte interviewt. Nabil erhielt als Einziger nach der Grundversorgung Zugang zum sozialen Wohnbau.

Migranten sind auf dem Weg zur eigenen Wohnung mit vielen Hürden konfrontiert.
Foto: STANDARD/Corn

Schwieriger Zugang

Generell ist der Zugang zum regulären Wohnungsmarkt für Asylberechtigte sehr schwierig. Für eine Wiener Gemeindewohnung muss man zwei Jahre lang durchgehend an einer Wiener Adresse gemeldet sein. Und auf dem privaten Wohnungsmarkt werden Flüchtlinge häufig diskriminiert. "Wie viele Kinder haben Sie?", werde von Maklern oder Vermietern oft gefragt, wenn Asylberechtigte auf Wohnungssuche gehen, so Elisabeth Jama von der Diakonie-Wohnberatungsstelle Wiwa.

Auch einen Lohnzettel für die letzten sechs Monate können Asylberechtigte kaum vorweisen, ebenso wenig Kaution und Maklerprovision aufbringen. Daher werden Geflüchtete in prekäre Wohnverhältnisse gedrängt.

Die ersten Gastarbeiter

Das ist allerdings nicht erst seit 2015 so. Schon für die ersten Gastarbeiter war die Wohnungssuche schwierig. Dabei hätte das bei den ab Mitte der 1960er-Jahre ins Land geholten Arbeitskräften aus der Türkei und aus Jugoslawien gar nicht so sein dürfen: Betriebe mussten ihren Arbeitern "ortsübliche Unterkünfte" bereitstellen.

"Bei größeren Betrieben hat das etwas besser funktioniert", sagt die Historikerin Verena Lorber, die an der Universität Salzburg im Bereich der historischen Migrationsforschung tätig ist. "Ganz schlimm war die Situation allerdings auf dem Bau, wo oft Holzbaracken ohne Heizung, Sanitärräume oder Kochmöglichkeiten für 20 bis 25 Leute aufgestellt wurden."

Am privaten Wohnungsmarkt kamen Gastarbeiter meist nur über Kontakte unter; und schon damals wurden oft prekäre Mietverhältnisse eingegangen, in Substandardwohnungen, die desolat und zu klein waren – und dennoch teuer vermietet wurden.

Opfer skrupelloser Vermieter

64,3 Prozent der Gastarbeiter, aber nur 14,2 Prozent der Österreicher wohnten laut Statistik Austria 1981 in Substandardwohnungen, also ohne Wasseranschluss, mit WC auf dem Gang. 14,2 Quadratmeter hatten sie durchschnittlich zur Verfügung, die Hälfte des österreichischen Schnitts. Das war auch 1991 noch so und änderte sich seither nur unwesentlich (siehe Grafik). "Gastarbeiter wurden oft Opfer skrupelloser Vermieter", weiß auch Handan Özbas vom Grazer interkulturellen Verein Jukus. Substandard war für die Gastarbeiter sozusagen Standard, zum Duschen blieb oft nur das Tröpferlbad. Ein Ausweg war für viele die Tätigkeit als Hausbesorger. Deren Wohnungen waren zwar nicht viel besser, aber die Kosten konnten so gesenkt werden.

Ein Unterschied zwischen der Situation der Gastarbeiter und der von Flüchtlingen: Erstere hatten oft vor, in ihre Heimat zurückzukehren. "Die Wohnverhältnisse hatten daher anfangs für viele nicht die oberste Priorität", sagt Lorber.

Informeller Markt

Auch heute gibt es Vermieter, die die Notlage der Menschen ausnützen. "Es hat sich ein problematischer informeller Subwohnungsmarkt herausgebildet, auf dem Wohnraum zu überhöhten Preisen angeboten wird", heißt es in Aigners Studie. Auch Caritas und Diakonie können viel von Untermietverträgen und zahllosen "kreativen Varianten" berichten. Ein interessanter Nebenaspekt ist, dass diese Mietverhältnisse oft selbst von Menschen mit Migrationshintergrund angeboten werden. Einer der für Aigners Studie befragten Flüchtlinge erzählte von Syrern, Libanesen und Palästinensern, die als seine ersten Vermieter in Österreich auftraten.

Das Problem kennt Vlasta Osterauer-Novak, Wohnberaterin bei der Wiener Gebietsbetreuung, sehr gut: "Solche Vermittlungen laufen nach dem Motto 'Ich spreche deine Sprache, ich will dir Gutes' ab. In Wirklichkeit nutzen manche die Betroffenen aus."

Überhöhte Mieten

Natürlich seien auch Österreicher daran beteiligt, darauf weist Andreas Gampert von der Diakonie hin. "Wie kann jemand in einem Haus zehn Wohnungen anmieten? Die Problematik beginnt beim Hauseigentümer." Man nehme ein abbruchreifes Zinshaus mit der Intention, Langzeitmieter rauszuekeln. Das Ergebnis sind überhöhte Mieten, ungültige Verträge und nicht zulässige Untermieten – und eigenmächtige Delogierungen.

Im schlimmsten Fall landen Wohnungssuchende gruppenweise in Kellerräumen ohne Sanitäranlagen. Das Absurde: Weil sie am regulären Markt keine Chance haben, zahlen sie pro Person 400 bis 600 Euro monatlich für eine solche Absteige, um einen festen Wohnsitz zu haben. Oft wird auch noch eine Möbelmiete kassiert. Dafür verschulden sich Mieter teilweise massiv.

Hinweise: Pro Land/Staatengruppe und Jahr ergibt die Verteilung auf die Wohnflächengruppen 100 Prozent. Details bei Mouse-over bzw. Klick (auch auf Balken von Wohnflächen). Beispiel: Im Jahr 2011 mussten in Österreich 0,8 % der österreichischen und 8,3 % der türkischen StaatsbürgerInnen mit weniger als 10 Quadratmeter Wohnfläche pro Kopf auskommen. Die "EU-Staaten (10)" sind jene, die am 1. Mai 2004 der EU beigetreten sind: Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn, Zypern. Die "EU-Staaten (2)" sind seit 1. Jänner 2007 in der Union: Bulgarien und Rumänien. (Umsetzung: Daniela Yeoh)

Und was passiert mit jenen, die keine Wohnung finden? In Kooperation mit der Wohnungslosenhilfe der Stadt Wien gibt es Starthilfe über diverse Projekte wie etwa "Into Wien". Viele kommen vorübergehend auch bei Freunden unter, dabei handelt es sich laut Jama aber eigentlich um versteckte Obdachlosigkeit.

Handlungsbedarf

Laut Caritas wäre eine zulässige Antragstellung für die bedarfsorientierte Mindestsicherung schon ab der Asylanerkennung eine Lösung. Denn Anträge werden üblicherweise erst angenommen, wenn es eine private Meldeadresse gibt. Andererseits gebe es auch Aufklärungsbedarf für Vermieter, da viel Unsicherheit und Unwissen herrscht.

Für Asylberechtigte bedeutet die schwierige Situation am Wohnungsmarkt, dass sie schwer zur Ruhe kommen, um etwa Deutsch zu lernen – und andere integrierende Schritte zu setzen. (Marietta Adenberger, Martin Putschögl, Franziska Zoidl, 6.9.2018)