"Spiele mit großem Suchtpotenzial sollten nur für Ältere freigegeben werden."

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Manche Smartphones können inzwischen schon eine Spielkonsole ersetzen – die Spieleentwickler, die sich derzeit auf der Gamescom in Köln treffen, verdienen mit Apps mittlerweile mehr Geld als mit klassischen Computerspielen. Dabei setzen sie allerdings Mechanismen ein, die Menschen süchtig machen können, wie der Psychologe Hans-Jürgen Rumpf von der Uniklinik Lübeck kritisierte.

"Sie setzen auf schnelle Gewinne am Anfang, die im Laufe des Spiels aber immer schwerer erreichbar werden", erklärte er. "So muss ein Spieler für seine Belohnung immer mehr Zeit oder Geld investieren." Besonders gefährlich seien Spiele, in denen gemeinsam mit anderen Aufgaben gelöst werden müssen, wie zum Beispiel Onlinerollenspiele. "Dort entsteht schnell ein sozialer Druck, immer weiter zu spielen", sagte Rumpf.

Je komplexer die Apps, desto gefährlicher

Die Sucht nach Videospielen ist weltweit auf dem Vormarsch. Im Juni erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sie offiziell zur Krankheit. Bisher wurden die meisten Patienten in den Therapiezentren an "klassischen" Konsolen oder dem Computer süchtig. Doch je leistungsstärker Smartphones werden und je komplexer die Apps, desto gefährlicher werden sie für suchtanfällige Menschen.

"Das Problem am Handy ist seine ständige Verfügbarkeit", sagte Rumpf. "Der Nutzer hat es immer dabei. Will er nur Nachrichten checken, winkt das Spiel schon mit einer Benachrichtigung. Das ist ein Reiz, den der Spieler kaum ausschalten kann."

Fluchtweg aus der Realität

Süchtige vereinen laut Rumpf oft bestimmte Merkmale: "Sie sind meist männlich und haben manchmal auch psychische Probleme oder Störungen. Auch Arbeitslosigkeit oder Migrationshintergrund können Risikofaktoren sein."

Für sie könne ein Spiel einen Fluchtweg aus der Realität bedeuten. "Sie spielen, wenn sie gelangweilt sind, gestresst oder traurig. Dann bringen sie weniger Leistung, was sie noch öfter runterzieht – und sie nehmen wieder das Handy in die Hand", schilderte Rumpf. "Das ist zu Beginn ein langsamer Kreislauf, der plötzlich sehr schnell werden kann."

Aber meist nicht existenzbedrohend

Die Folge: Einige Süchtige brechen die Schule oder Ausbildung ab, oder es droht ihnen die Kündigung. Sie verlieren echte Freunde und Partner. Im Gegensatz zur Spielsucht im Casino sind die finanziellen Folgen laut Rumpf aber meist nicht existenzbedrohend.

Rumpf kritisierte, dass die Spieleindustrie bei dem Thema die Verantwortung von sich weise: "Wir haben uns mit der Suchtbeauftragten der (deutschen; Anm.) Bundesregierung und der Spieleindustrie an einen Tisch gesetzt. Dabei zeigte die Industrie leider keine große Kooperationsbereitschaft", sagte er.

Altersbeschränkungen für süchtigmachende Games gefordert

Sein Vorschlag: "Spiele mit großem Suchtpotenzial sollten nur für Ältere freigegeben werden." Bisher gibt es Altersbeschränkungen für Spiele mit Gewalt oder sexuellen Inhalten, aber nicht für Suchtpotenzial. Helfen könnten Rumpf zufolge auch Warnhinweise, wenn Menschen länger als zwei oder drei Stunden am Tag spielen. Auch eine Funktion, dass sich das Spiel nach einer gewissen Dauer selbst ausschaltet, könnte helfen.

Die meisten Spieler würden aber nicht süchtig, beruhigte Rumpf. "Ich sollte mir Sorgen machen, wenn ich merke, dass ich die Kontrolle verliere", sagte der Psychologe. "Wenn ich bis spät in die Nacht spiele und ständig übermüdet im Job, der Uni oder der Schule bin, ist das ein Zeichen, dass das Spiel Macht über mich hat." Betroffene können sich dann an örtliche Suchtberatungen wenden. (APA/AFP, 27.8.2018)