#MeToo, #MeTwo – wir befinden uns in einer Endlos-genervt-sein-Schleife.

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Es gibt vielerlei Arten von Schleifen. Haarschleifen sind beispielsweise meist dekorativ. Es gibt sogar eine Stadt namens Schleife im Landkreis Görlitz, Sachsen, Deutschland. Unangenehm werden Schleifen üblicherweise dann, wenn sie sich ihrer Endlichkeit entledigen.

Ich habe das Gefühl, viele befinden sich in einer Endlos-genervt-sein-Schleife. Man kann ja heutzutage leicht wegen allem genervt sein. Und nicht nur das! Man kann dies sogar auf kollektiver Ebene sein, was insofern besonders super ist, erhält doch das subjektive Genervt-Sein dadurch mehr Legitimität.

"Die Häufigkeit, mit der ich mit der Frage (Anm.: Woher kommst du eigentlich?) konfrontiert werde, nervt aber einfach", war am Wochenende im STANDARD zu lesen – hier ist also das Genervt-Sein dem Thema "Alltagsrassismus" und #MeTwo zuzuordnen. Gut, ich spreche niemandem sein subjektives Recht auf Genervt-Sein ab. Jedoch bin ich selbst genervt, dass man wegen einer solchen Frage nicht nur genervt ist, sondern sich auch noch rassistisch verfolgt fühlt. Punkt. Das lasse ich jetzt mal so stehen.

Recht auf Genervt-Sein

Man kann gerne meine Fähigkeit zur Empathie infrage stellen. Man kann mit mir auch darüber diskutieren, wo genau Rassismus beginnt und wo eben nicht. Aber eines darf der Genervte mir keinesfalls absprechen: nämlich mein eigenes Genervt-Sein. Rechte gelten für alle. Wenn es ein Recht auf Genervt-Sein gibt, dann habe auch ich das Recht zum Genervt-Sein. Auch wenn es von einem Genervten ausgelöst wurde. Gut möglich, dass mein Genervt-Sein den Erst-Genervten so nervt, dass er sich dadurch noch mehr genervt fühlt, was meinen Nerven wiederum auch nicht zuträglich ist. Und schon befinden wir uns in der Endlos-genervt-sein-Schleife.

Ich bin ja nicht nur von #MeTwo-Genervten genervt, sondern auch von Genervten in der #MeToo-Bewegung. Was im Übrigen weder mit mangelnder Empathie noch mit Verhöhnung der (vermeintlichen) Opfer zu begründen ist. Es liegt an der Bandbreite der Beschwerden und der damit einhergehenden Vermischung von Unrecht und Befindlichkeit. Es ist nämlich ein Unterschied, ob eine Frau vergewaltigt wurde oder ob sie von einem Kollegen ein Kompliment wegen ihrer hübschen Schuhe bekommen hat. Es ist ein Unterschied, ob jemand aufgrund seiner Hautfarbe oder Nationalität eine Arbeitsstelle nicht bekommt oder ob er freundlich gefragt wird: "Woher kommst du eigentlich?"

Längst überfällige Diskussion

"Erwachsensein heißt, zwischen unerträglichen Traumata und Dingen, die zum Leben gehören, unterscheiden zu können", sagt der Philosoph Robert Pfaller im Interview mit dem Magazin "Wiener". Es gebe auch eine politische Dimension: "Reale Chancenungleichheiten sind in Wirklichkeit viel öfter der Zugehörigkeit zur falschen Klasse geschuldet als den Faktoren Hautfarbe, Geschlecht, sexuelle Orientierung oder Religion." Der "große Trick des Neoliberalismus" bestehe darin, dass der Blick auf die großen sozialen Ungleichheiten durch die Verlagerung des Blicks auf die kleinen Differenzen getrübt werde. Schlau gemacht, das muss man sagen.

Mein Fazit: Ein bisserl weniger Genervt-Sein täte uns allen gut. Ich bin ab sofort auch nicht mehr genervt ob der Genervten. Weil mir mein eigenes Genervt-Sein selbst so dermaßen auf die Nerven geht, dass ich in Wahrheit ohnehin nicht genervt bin. Aber es gibt einen schönen Aufhänger zu einer längst überfälligen Diskussion. Wer sich dadurch genervt fühlt ... (Daniela Kickl, 23.8.2018)