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Donald Trump hat seinen Wählern versprochen, den "Sumpf in Washington" trockenzulegen. Nun sind zahlreiche seiner engen Mitarbeiter in juristischen Problemen. Der Begeisterung vieler seiner Anhänger tut das bisher aber keinen Abbruch.

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Washington/Wien – Ohne Zweifel: Donald Trump wird sich den Dienstagnachmittag nicht als den schönsten seiner Regierungszeit ins Tagebuch schreiben. Dazu, wie sehr dem Präsidenten der zeitgleiche Schuldspruch seines Ex-Kampagnenmanagers Paul Manafort, die schweren Vorwürfe, die sein früherer Anwalt Michael Cohen in seiner Selbstbezichtigung gemacht hat, und die neuen Anklagen gegen frühe Unterstützer seines Wahlkampfteams wirklich schaden, gibt es aber unterschiedliche Ansichten. DER STANDARD hat sich die wichtigsten Fragen nach dem dunklen Tag im Weißen Haus angesehen.

Michael Cohen, Donald Trump und Paul Manafort (von links) – derzeit weltweit im Gespräch.
Foto: APA/AFP/DON EMMERT/NICHOLAS KAMM

Vorwürfe gegen Trump und seine Mitarbeiter gibt es schon lange – was ist jetzt neu?

Grundsätzlich neu, völlig unbekannt oder gänzlich unerwartet kommt keines der Ereignisse vom Dienstag. Allerdings kommen die Einschläge dem Staatschef immer näher. Neu ist auch, dass sie nun juristisch unterfüttert und keine bloßen Anschuldigungen mehr sind.

Im Fall seines früheren Kampagnenmanagers Paul Manafort hatte Trump auf einen Freispruch durch die Geschworenen gehofft in der Annahme, dass die Steuer- und Finanzvorwürfe gegen ihn sich als zu kompliziert erweisen könnten. Das ist nicht geschehen. Zwar waren sich die Laienrichter in zehn von 18 Anklagepunkten uneinig – in den acht anderen gab es aber eine Verurteilung. Die Hoffnung, durch einen Freispruch Manaforts könnte sich der politische Wind gegen die Arbeit von Russland-Sonderermittler Robert Mueller drehen, ist für Trump dahin.

Fast noch schwieriger ist für Trump die Aussage Cohens vor Gericht. Sein früherer Anwalt nimmt mit dem Geständnis, in dem er auch den Präsidenten belastet, eine Gefängnisstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten in Kauf. Eine Kooperation mit den Russland-Ermittlern um Mueller, die ihm eine Strafminderung ermöglichen könnte, gibt es noch nicht. Das macht es für Trump und sein Team schwieriger, Cohen ein Eigeninteresse bei seiner Aussage zu unterstellen.

Nicht gefährlich, aber politisch unschön ist es für Trump, dass zusätzlich zu Manafort und Cohen auch der republikanische Abgeordnete Duncan Hunter juristische Probleme hat. Dem Republikaner wird vorgeworfen, Kampagnengelder für politische Zwecke genutzt zu haben. Hunter war 2016 der zweite Republikaner im Kongress, der sich offiziell zu Trump bekannte. Der erste, Chris Collins, ist vor wenigen Wochen ebenfalls angeklagt worden. Ihm wird Insiderhandel vorgeworfen.

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Duncan Hunter bei einer Rede vor dem Kongress.
Foto: Carolyn Kaster, AP

Nicht zu vergessen ist auch, dass noch zahlreiche weitere Figuren aus Trumps Dunstkreis derzeit in juristischen Problemen stecken.


Politische Folgen sind also möglich. Aber trifft das Trump auch juristisch?

Das ist noch immer offen. Der Fall Manafort hat, obwohl er aus den Ermittlungen Robert Muellers entstanden ist, vorderhand wenig mit der Kernfrage zu tun, ob Russland Einfluss auf die Wahl 2016 genommen und ob es geheime Absprachen gegeben hat. Auch wird Trump darin, abgesehen vom einem schlechten Händchen für Personal, nichts Unlauteres vorgeworfen.

Und auch im Fall Cohen, in dem Trump direkt belastet wird, ist die unmittelbare juristische Gefahr eher gering. Denn Verstöße gegen das Wahlkampffinanzierungsgesetz vom Ausmaß einiger hunderttausend Dollar werden im Zusammenhang mit Präsidentschaftswahlkämpfen eher selten verfolgt.

Allerdings könnten beide Verurteilungen den Demokraten in einem Verfahren zur Absetzung Trumps, dem sogenannten Impeachment, helfen, wenn sie die Midterm-Wahlen im November gewinnen sollten. Dass es dabei wirklich zu einer Absetzung des Präsidenten kommen würde, gilt aber als extrem unwahrscheinlich – dafür wäre im Senat, am Ende eines auch sonst sehr komplizierten Verfahrens, eine Zweidrittelmehrheit nötig. Dass es eine solche geben würde, gilt als fast ausgeschlossen.


Was hat das alles mit Russland zu tun?

Bisher: ziemlich wenig. Allerdings gehen Sonderermittler Mueller und sein Team möglicherweise davon aus, dass sowohl Manafort als auch Cohen auch in dieser sehr sensiblen Frage noch nicht alles preisgegeben haben, was sie wissen. Beide haben bisher noch keinen Deal zu einer Kooperation mit den Strafverfolgern geschlossen, der ihnen mildere Strafen ermöglichen könnte. Möglich ist das in beiden Fällen aber noch – das US-Recht sieht vor, dass ein solches Abkommen bis zu ein Jahr nach einer Verurteilung geschlossen werden kann.

Dass sie es bisher noch nicht getan haben, lässt viele Beobachter aber rätseln. Im Fall Manaforts gilt als möglich, dass er auf einen Freispruch spekuliert hatte und nun, da ihm bis zu 80 Jahre Haft drohen, umgestimmt werden könnte. Bei Cohen ist denkbar, dass er noch in Verhandlungen über das Ausmaß seiner Kooperation und seines Strafnachlasses steht.

Allerdings gibt es noch eine weitere Variante: Trump hat in Interviews immer wieder angedeutet, dass er eine Begnadigung Manaforts ebenso für denkbar hält wie die jedes anderen Angeklagten (inklusive seiner eigenen). Das wäre politisch riskant. Spekulieren Manafort und/oder Cohen aber auf diese Variante, wäre es strategisch sehr ungeschickt, sie durch eine Kooperation mit Mueller zu gefährden. Cohens Anwalt Lanny Davis teilte am Mittwoch aber mit, sein Klient würde eine Begnadigung durch Trump niemals akzeptieren.


Was sagen die Republikaner?

Bisher halten sich auch jene zurück, die manchmal kritische Worte für den Präsidenten gefunden haben. Lindsey Graham etwa teilte mit, aus den juristischen Vorgängen ergebe sich "keine Verbindung zu geheimen Absprachen mit Russland". Auch sonst halten sich die meisten Konservativen zurück.

Viele sind vor den Midterm-Wahlen in Sorge, Trump könnte sich gegen sie wenden und ihren Wiederwahlchancen schaden. Zweifelhaft ist aber, ob sich dieses Schweigen auch im Fall neuer Ausritte Trumps gegen die Justiz – oder gar im Fall einer Begnadigung von Manafort und/oder Cohen – halten würde.


Was sagt das Team Trump und er selbst?

Offiziell ist auch aus Trumps Team wenig zu hören. Zur Verurteilung Manaforts sagte der Präsident am Rande einer Kampagnenveranstaltung in West Virginia, er wisse nicht, was das Urteil mit den Russland-Untersuchungen oder mit ihm zu tun haben solle. Allerdings kritisierte er auch das Urteil selbst. Manafort, der 2016 drei Monate lang seine Kampagne geleitet hatte, sei "ein guter Mann", der Prozess gegen ihn "eine Schande".

Trump äußerte sich in einigen Tweets, in denen er Cohen frontal angreift und ihn der Lüge bezichtigt:

Der aktuelle Anwalt des Präsidenten, Rudy Giuliani, sagte schon zuvor im Fernsehen, er stimme mit der Ansicht der Strafverfolger überein, dass Cohen "ein Netz aus Lügen und Unwahrheiten" gespannt habe. Dieses schließe nun die Vorwürfe gegen den Präsidenten ein. Aus welcher Motivation heraus Cohen, dem wegen seiner Aussage eine langjährige Haftstrafe droht, gelogen haben sollte, sagte er nicht.

Intern liegen die Nerven aber offenbar blank. Das Online-Magazin "Politico" zitierte einen Mitarbeiter des Weißen Hauses mit den Worten, es gebe "eine sehr gute Chance, dass der Präsident irgendwas Erratisches tut und die Situation noch schlimmer macht".


Wie unabhängig sind die Entscheidungen?

Auch wenn Trump auf Twitter regelmäßig die Unabhängigkeit von Sonderermittler Mueller und der US-Justiz infrage stellt: Dafür, dass es tatsächlich politisch motivierte Entscheidungen gegen ihn gibt, sind keine Anzeichen erkennbar. Im Gegenteil hatte Richter T. S. Ellis im Prozess gegen Manafort mit harten Frage an die Ankläger eher das Team um Sonderermittler Mueller nervös gemacht.

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Eine Zeichnung zeigt Richter T. S. Ellis im Prozess gegen Paul Manafort.
Foto: Dana Verkouteren, AP

Neu ist hingegen, dass sich ein US-Präsident so offen in ein laufendes Gerichtsverfahren einmischt. Trump hatte am Wochenende via Twitter deutlich gemacht, dass er sich von den Geschworenen einen Freispruch erwarte. Zudem gab es offenbar Drohungen gegen die Laienrichter. Richter Ellis entschied sich –ungewöhnlicherweise – am Dienstag dazu, ihre Namen nicht öffentlich zu machen, weil von mehreren Seiten mit Angriffen gerechnet werden müsse.


Was bedeutet das für die Midterm-Wahlen?

Wie weitreichend die politischen Folgen sind, ist eine der großen offenen Fragen. Bisher gibt es eher Erstaunen darüber, dass die langgezogenen juristischen Probleme so wenige Folgen für den Präsidenten haben. Die Zustimmung zu Trump liegt in der Bevölkerung laut aggregierten Umfragen des Portals fivethirtyeight.com noch immer bei knapp über 40 Prozent (gegenüber rund 52 Prozent, die ihn ablehnen). Dieser Wert hat sich in den vergangenen Monaten nur geringfügig verändert.

Schlechter sieht es für die Republikaner aus. Sie liegen in Parteiumfragen für das Repräsentantenhaus – die allerdings wegen des Mehrheitssystems nur eine ungenaue Vorhersage ermöglichen – rund acht Prozentpunkte hinter den Demokraten. Nötig für die Mehrheit im Abgeordnetenhaus wäre wegen des Effekts kreativ gezogener Wahlbezirksgrenzen, die die Republikaner bevorzugen, ein Vorsprung von ungefähr sieben Prozentpunkten. Fivethirtyeight.com geht mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 75 Prozent davon aus, dass den Demokraten der Sieg gelingt.

Ob die neuen Urteile Auswirkungen haben werden, ist aber schwer zu beurteilen. Möglich wäre auch ein umgekehrter Effekt. Republikaner, die bisher wenig motiviert waren, im November ihre Stimme abzugeben, könnten sich motiviert fühlen, nun doch zur Wahl zu gehen, weil sie sich bedrängt fühlen. Zudem glauben laut Umfragen viele Trump-Anhänger, dass der Präsident Ziel einer Verschwörung der Justiz geworden ist. Sie sind von Verurteilungen und Geständnissen nicht zu beeindrucken. (Manuel Escher, 22.8.2018)