Die AUVA soll sparen, so will es die Regierung, die nicht nur im Verkehr gern rechts abbiegt.

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Am Ende – so gewinnt man den Eindruck – hat niemand darüber gesprochen: über die Gesundheit. Bei den Kürzungen der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) handle es sich bloß um eine "Strukturreform", ein "Fitnessprogramm" oder auch ein wenig altbacken um "Bürokratieabbau". Die Antwort auf die Frage, was aber diese Maßnahme den konkreten Menschen, dem Dominik, der Karin, dem Thomas oder einem selbst, nützt, blieb man schuldig, und nur wenige fragten nach.

Das verwundert nicht weiter, sind ja viele Menschen mittlerweile an "Fitnessprogramme" gewöhnt. Das ist einer dieser hochideologischen Teflonbegriffe, die uns das Gefühl von Schlankheit, Selbstkontrolle, ja geradezu Gesundheit suggerieren sollen.

Damit will man vergessen machen, dass (Gesundheits-)Politik aus einem Fragebündel zu Wirtschaft und Arbeit, zu Mann und Frau, zu Stadt und Land, zu Jung und Alt besteht. Es soll vielmehr das Gefühl entstehen, dass uns alle das gar nicht berühre, denn das "Fitnessprogramm" würde lediglich dem Staat oder der Institution gelten, nicht aber den Menschen; denn diese könnten sich nun endlich – erleichtert durch den Staatsabbau – frei und geradezu gesund durchs Leben bewegen.

Nicht aus der Portokasse

Das ist der Eindruck, den die schwarz-blaue Regierung zu erwecken versucht, wenn sie der Unfallversicherungsanstalt 500 Millionen Euro streicht – bei einem Gesamtbudget von rund 1,4 Milliarden Euro ein großer Brocken, der sich nicht einfach aus der Portokasse bezahlen lässt. Aber man fragt sich: Wieso überhaupt soll die AUVA in Zukunft mit so viel weniger auskommen? Liegt in der AUVA sinnlos Geld herum? Hat die ÖVP-nahe Unfallversicherung jahrzehntelang schlecht gewirtschaftet? Besteht gar kein Bedarf an Unfallkrankenhäusern und Reha-Zentren?

Nein. Der einzige Grund für diese Kürzung ist das Versprechen der ÖVP an die Großindustrie und Konzerne in diesem Land, die Versicherungsbeiträge für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu senken – um 0,5 Prozent oder eben 500 Millionen Euro. Es geht nur darum. Nichts mehr. Nicht um ein "Fitnessprogramm", wie die "Gesundheits"-Ministerin es nennt, und schon gar nicht um eine inhaltliche Reform der AUVA. Es geht nur um eine krasse Umverteilung von unten nach oben. Denn eine echte Reform müsste sich das Gesamtbild der Arbeitswelt von heute ansehen.

Was nämlich in der öffentlichen Diskussion allzu gern verschwiegen wird, wenn von einer Abnahme der Arbeitsunfälle die Rede ist, ist die gleichzeitige rasante Zunahme berufsbedingter Erkrankungen wie Bandscheibenvorfälle, Burnout, Depressionen oder sogar Krebserkrankungen, deren Behandlung derzeit nicht durch die Arbeitgeber, sondern durch die Allgemeinheit bezahlt wird.

Und damit nicht genug. Es ist zu erwarten, dass diese Erkrankungen sowie auch Arbeitsunfälle durch die Einführung der 60-Stunden-Woche steigen werden, während der AUVA gleichzeitig mehr als ein Drittel weniger Geld für Prävention, Behandlung und Rehabilitation zur Verfügung steht. Wir wissen seit langem, dass die gesündesten Gesellschaften jene mit den geringsten Unterschieden zwischen Arm und Reich sind. Ja – Gesundheit ist eine soziale Frage, und sie ist die Basis für die soziale Kohäsion unserer Gesellschaft. Wir wissen, sozioökonomisch schlechtergestellte Menschen weisen im Allgemeinen eine schlechtere Gesundheit auf und sterben früher. Und ja, mit Maßnahmen wie dieser arbeitet Schwarz-Blau konsequent daran, die soziale Schere der Gesundheit noch weiter zu öffnen – mit der Konsequenz, dass nicht nur die Gesundheit, sondern auch die kollektive Solidarität unserer Gemeinschaft geschwächt wird. Denn wer "Fitnessprogramm" sagt, meint oftmals schlicht Sozialabbau.

Wie der Werbeslogan

Eines sei hier daher abschließend gesagt: Durch verordnete Kürzungsprogramme à la AUVA wird kein Leben in Österreich länger, keine Gesellschaft gesünder – vielmehr wird Gesundheit zur reinen Privatsache erklärt und auf dem Altar von Konzerninteressen geopfert. Just der durch Wolfgang Ambros inspirierte Slogan der AUVA aus dem Jahre 2007, "Baba und fall net!", könnte sich da elf Jahre später als des Pudels Kern entpuppen. (Pamela Rendi-Wagner, 22.8.2018)