Sind wir wirklich schon im Klima-Crash? Ich glaube: ja. Nehmen Sie die Meldungen der letzten Tage, vor dem Hintergrund des letzten Jahres, die Mahnungen der Landwirtschaft aus Österreich, Kalifornien, Schweden, vielen Teilen Afrikas, die Brände, Überschwemmungen, die Warnungen der Hilfsorganisationen und Versicherungen ("am Limit"), und rechnen Sie weitere Steigerungen hinzu. Weltweit machen die meisten Verursacher (offiziell) ungebremst weiter, der Flugzeughersteller Airbus etwa rechnet mit 100 Prozent Steigerung des Flugzeugparks in den nächsten 20 Jahren.

Noch traut sich kaum jemand aus der Wirtschaft offen einen Stopp oder auch nur eine Einschränkung der allgegenwärtigen Verbrennung anzusprechen. Alles außer Wind-, Wasser- und Sonnenenergie ist Verbrennungsenergie, wie einst bei den Dampflokomotiven. Alle Motoren und Flugzeugturbinen verarbeiten den gleichen Rohstoff: in Jahrtausenden fossil gespeicherte und konzentrierte Sonnenenergie. Nur durch diese Konzentration ist es möglich, so viel Energie in winzigen Verbrennungskraftmaschinen auf einmal frei werden zu lassen. Technologien wie Flugmotoren funktionieren nur durch hochkonzentrierte fossile Brennstoffe. Und wie bei den "billigen" Plastiksackerln aus der gleichen Quelle scheinen wir kollektiv die Angemessenheit im Umgang verlernt zu haben.

Der Klimawandel bedroht alles – von der Landwirtschaft bis zu den Korallenriffen.
Foto: APA/AFP/XL CATLIN SEAVIEW SURVEY

Ich lebe gedanklich oft in der Zukunft, je nach Bereich ein oder auch mehrere Jahre voraus. Heute denke ich, es können höchstens noch Monate ins Land gehen – falls die Natur keine Phase der Zwischenerholung einbaut –, bis auch den letzten Zweiflern klar werden wird: es hilft nur noch eine Reduzierung aller Verbrennungsprozesse, weltweit, auf das lebensnotwendige Maß. Wie geht es dann weiter? Vorweg: Gut geht es weiter, letztlich besser als heute. Umbrüche können segensreich sein, wenn sie in eine Not-wendende Richtung gehen. Ältere Österreicherinnen und Österreicher haben Erfahrung damit.

Ein Erfolg, der uns passierte

Wie wurde früher Wein getrunken, und welch faszinierende Kultur hat sich seit dem "Wein-Skandal" von 1985 entwickelt? Davor genoss man vier Viertel – ich hörte von bis zu zwölf Vierteln und mehr pro Abend, damals –; heute verfallen wir in lustvoll zelebriertes Abwägen, ob sich noch ein drittes Achtel von dem Wein mit dem "überirdischen" Geschmack ausgeht. Genau so wird es auch mit der Energie sein – sein müssen. Hier eine erste, kurze Vorschau.

E-Tax: Umstellung des Steuersystems auf den Energieverbrauch zu mindestens 50 Prozent. Das heißt: Energie, die für das unmittelbare, persönliche Leben gebraucht wird (Heizung, Warmwasser), wird kaum besteuert, Energie, die darüber hinausgeht, wird voll, für alle gleich, linear oder progressiv besteuert. Diese Umstellung muss aufkommensneutral erfolgen: als durchschnittlicher Verbraucher zahlt man danach gleich viel Steuer, alle können die Steuerlast aber in der Folge durch Energiesparen mindern. Wenn dann plötzlich Millionen Steuerzahlerinnen und -zahler im eigenen Interesse überlegen, findet sich Einsparungspotential, möchte jemand wetten?

Lernen, mit fossilen Brennstoffen anders umzugehen.
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Energie neu verstehen: die wertvollste Stoffgruppe des Planeten sind die fossilen Brennstoffe. Wertvoller als Gold und Edelsteine, die ihren Wert erst dann entfalten können, wenn das Überleben in Stabilität und Sicherheit gewährleistet ist.

Cradle-to-Cradle-Produkte statt Wegwerfprodukte: Produkte werden – nur noch – für einen Zeitraum gekauft, zum Beispiel für ein Jahr. Will man das Produkt danach weiter behalten, zahlt man wieder für ein Jahr und so weiter (es gibt Varianten des Modells). Benötigt man das Gerät nicht mehr oder will auf ein anderes umsteigen, geht das Gerät an den Hersteller zurück, wo alle Rohstoffe weiterverwendet werden. Das wurde bereits bei der Konstruktion und beim Design des Produktes mitbedacht. Alle Rohstoffe werden wiederverwendet, sie zirkulieren in geschlossenen Kreisläufen, analog wie jene in der Natur. Die Sensation: Produkte, die länger halten, sind auf einmal (!) wieder profitabel für die Hersteller. Bei der Produktion führt das Cradle-to-Cradle-Prinzip, das Michael Braungart und William McDonough in "Cradle to Cradle, Einfach intelligent produzieren" beschreiben, sofort(!) zu einer Verbesserung der Umweltsituation. Konsumentinnen und Konsumenten haben stets Geräte auf der Höhe der Zeit, oder langlebige, die ihren Dienst klaglos tun, so lange wie sie wollen.

Das Motiv "Vorteile-für-wen?" neu denken

Doch damit nicht genug. Selbst wenn in ganz Europa umgestellt würde, wäre damit noch wenig gewonnen. Auch wenn die USA mitzögen, würde das nicht ausreichen. Es müssten auch die Länder Asiens und Afrikas mittun – und sie müssten mittun wollen. Das kann nur der Fall sein, wenn auch dort – alle – Vorteile davon haben, jetzt, konkret und unmittelbar spürbar. Wege zu dieser Umstellung können wir nun suchen – wenn wir nicht einfach zusehen wollen, bis der Klima-Crash neben den Ernährungsstrukturen auch die der Wirtschaft immer mehr einengt.

Ein Teilnehmer der "South African Solar Challenge 2008" wartet, dass der Regen aufhört.
Foto: Wikicommons/Public Domain

Neue Wege finden – viele Wege

Es braucht nicht einen, sondern viele, eine wahre Vielfalt von Wegen. Das westliche Wirtschaftsmodell ist kein Hindernis dafür, sondern im Gegenteil: es ist die beste Voraussetzung. Denn das Modell ist flexibel – nützen wir diesen Vorteil! Vermeiden wir Hauruck-Aktionen, suchen wir geduldig und beharrlich nach neuen, gemeinsamen Lösungen. Eine ungeahnte Welle von Innovationen, großartigen Innovationen, wird die Folge sein.

Was können Sie und ich sofort tun?

Fragen wir nach Cradle-to-Cradle-Produkten, auch wo es diese noch gar nicht gibt, überall: damit können Sie tatsächlich und sofort eine der wichtigsten Änderungen in der globalen Wirtschaft anstoßen. Und stoßen Sie bei nächster Gelegenheit entspannt mit einem Glas ehrlichen, herrlich schmeckenden Weins (oder etwas anderem) auf das Klima des Planeten an und wünschen Sie sich eine Besserung. Wünschen funktioniert! (Rudolf Schwarz, 29.8.2018)