Es ist ein Gfrett mit dem Menschenpack. Es lungert nicht selten nutzlos vor sonst schönen Brunnen und Statuen herum und verschandelt so die schönsten Flecken einer Stadt. Am Grazer Hauptplatz wurde vor ein paar Jahren ein Pfeifton installiert. Offiziell zwecks Taubenabwehr. Doch auch Teenagern liegt er störend im sensiblen Ohr. Sogenannte akustische "Jugendabwehrsysteme" arbeiten im selben Frequenzbereich.

In Berlin unternimmt die S-Bahn einen noch fragwürdigeren Vorstoß. Um Herumtreibern am Bahnhof Hermannstraße im Stadtteil Neukölln das Lungern ungemütlicher zu machen, wird die Problemzone ab September mit "atonaler Musik" beschallt. Das Ziel ist: die Menschen zu verscheuchen.

Kulturloses Pack

Glaubt die Bahn etwa, dass das störende Pack so kulturlos ist, dass es die Freuden moderner Katzenmusik nicht versteht? Das wäre Kulturelitismus par excellence.

Oder sind die Entscheidungsträger selbst minder versierte Hörer und schließen: Was ich nicht aushalte, kann auch dem Gesindel nicht Gehörgangsschmeichler sein? Dafür spräche der terminologische Fauxpas des Experiments: Connaisseurs würden eher von "freitonaler" Musik sprechen. "Atonal" wurde einst als abwertender Kampfbegriff von der konservativen Szene geprägt.

Die Dauerbeschallung nährt noch andere Sorgen. Steht zu befürchten, dass bloß die Klientel wechselt? Werden sich statt Junkies und Trinkern bald Herrschaften in Anzug und Kostüm in die Bahnhofshalle setzen, um Alban Berg und Arnold Schönberg zu lauschen? Werden sie sich mit armen Musikstudierenden um die besten Plätze zu Füßen der Pendler streiten? Mit Taktstöcken duellieren?

Wie man es macht ...

In der Kulturnation Österreich kennt man auch mozärtlichere Wege. In Krems soll – siehe London und Tokio – klassische Musik Aggressionen mildern. Am Wiener Westbahnhof kommen selbiger Aufgabe ausgewählte Straßenmusiker nach. Auch Deutschland hat es bereits ganz elegant mit Vivaldi versucht. Problem: Selbst dieses Gefiedel nervt nicht nur unerwünschte, sondern alle Passanten. (Michael Wurmitzer, 23.8.2018)