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Die Anti-Merkel-Demo in Dresden. Und bevor jemand anruft: Wer an einer Demonstration teilnimmt, kann nicht verhindern, dass Bilder von dieser Veranstaltung verbreitet werden.

Foto: REUTERS/Hannibal Hanschke

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Eigenwillige Barttracht.

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Dresden – Der Mann mit dem "Deutschland-Hut" und der Sonnenbrille ist ziemlich wütend. "Lügenpresse!", schreit er Richtung TV-Kamera. Und zum ZDF-Reporter sagt er: "Sie haben mich ins Gesicht gefilmt, das dürfen Sie nicht. Sie haben eine Straftat begangen."

Die Anschuldigungen sind falsch, das Team vom ZDF hat vor einer Woche beim Besuch der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in Dresden bloß das getan, was in Deutschland erlaubt ist: eine öffentliche Demonstration zu filmen, nämlich jene der islam- und ausländerfeindlichen Bewegung Pegida, die gegen Merkels Politik protestiert.

Der umstrittene Polizeieinsatz.

Doch für ZDF-Mann Arndt Ginzel hatte die kurze Auseinandersetzung Folgen: Die Polizei nahm seine Personalien auf, und das 45 Minuten lang. Ginzel stellte die Szene ins Netz und klagte, die "Exekutive von Pegida" habe seine journalistische Arbeit behindert. Das Verhältnis von Pegida zur "Lügenpresse" ist bekanntlich schlecht. Der Ruf, in dem die sächsische Polizei steht ("auf dem rechten Auge blind"), auch nicht der beste.

Nun stellte sich heraus: Der Demonstrant war nicht irgendein Bürger, sondern ist beim sächsischen Landeskriminalamt (LKA) beschäftigt. Wie der regionale TV-Sender MDR berichtet, soll der Mann in seiner Arbeit auch Zugriff auf sensible Ermittlungsdaten und polizeilicher Erfassungssysteme gehabt haben. Wie der MDR am Donnerstag weiter berichtete, zeigt ein weiteres Video im Internet, dass der LKA-Mitarbeiter sich nicht nur am Rande der Demonstration gegen den Merkel-Besuch bewegte. Er stand demnach inmitten einer Demonstrantengruppe, die gegen den Konvoi der Kanzlerin mit Rufen wie "Volksverräter" protestiert habe.

Jetzt hat Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) ein Problem. Der nämlich hatte recht schnell, nachdem der Disput zwischen Polizei und dem ZDF-Team bekannt geworden war, getwittert: "Die einzigen Personen, die in diesem Video seriös auftreten, sind Polizisten."

Ministerpräsident Michael Kretschmer lobte den Polizeieinsatz.

Die Empörung ist groß, Kretschmer und Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) werden aufgefordert, die Affäre rasch aufzuklären. "Es handelt sich um eine klare Einschränkung der freien Berichterstattung", kritisiert ZDF-Chefredakteur Peter Frey. Im Netz wird die Causa unter dem Hashtag #Pegizei diskutiert.

Kritik aus Berlin

Auch aus Berlin gibt es Kritik am Vorgehen in Sachsen, wo die CDU mit der SPD regiert. "Die Vorgänge sind wirklich besorgniserregend und müssen dringend und umfassend durch die sächsischen Behörden aufgeklärt werden", so Justizministerin Katarina Barley (SPD). Und Merkel: "Wer auf eine Demonstration geht, muss damit rechnen, dass er auch durch Medien dabei aufgenommen und beobachtet wird. Also muss es eine freie Arbeit der Journalisten geben."

Grünen-Abgeordneter Cem Özdemir sagt: "Wer für den Schutz unseres Grundgesetzes zuständig ist, hat bei Organisationen und Parteien, die gegen unsere Verfassung kämpfen, nichts verloren, auch nicht in der Freizeit." Er erwarte "endlich Klartext" von Kretschmer.

Innenminister Wöller nimmt den LKA-Mann in Schutz. Dieser sei bei dem Vorfall nicht im Dienst gewesen, sondern sei Privatperson gewesen. Derzeit sei er auf Urlaub, man werde ihn danach befragen. "Selbstverständlich gilt für jeden Bürger in unserem Land das Recht auf freie Meinungsäußerung", so Wöller. Allerdings erwarte er "korrektes Auftreten".

Den Vorwurf der "braunen" Polizei in Sachsen weist die Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Cathleen Martin, zurück: "Meine Botschaft ist klar: Sächsische Polizisten sind keine Rechtsradikalen."

Sachsens Polizei macht nicht zum ersten Mal Schlagzeilen: Diese "Sonderausstattung" des gepanzerten Fahrzeugs "Survior R" sei "vom Hersteller so ausgeliefert" worden, argumentierte das Innenministerium im September 2017.

Kretschmer ist inzwischen ein wenig zurückgerudert und sagt: "Mir ist sehr daran gelegen, die Situation zu versachlichen und mit Ruhe zu bewerten." Sachsen wählt in einem Jahr einen neuen Landtag, Kretschmer ist unter Druck, weil die AfD in Sachsen bei der Bundestagswahl 2017 die stärkste Kraft vor der CDU wurde. (Birgit Baumann aus Berlin, 24.8.2018)