Wien – Mit dem nahenden Schulbeginn starten auch die Förderklassen für Schüler mit mangelnden Deutschkenntnissen. Gedacht sind die Klassen für jene Kinder, die dem Unterricht aufgrund sprachlicher Probleme nicht folgen können und deshalb als außerordentliche Schüler eingestuft werden.

In 15 bis 20 Wochenstunden soll in diesen Förderklassen nach eigenem Lehrplan Deutsch unterricht werden. Gegenstände, bei denen die sprachliche Fähigkeit eine untergeordnete Rolle spielt – etwa Musik, Zeichnen oder Turnen –, werden die Kinder in der Regelklasse belegen. Einschränkung: Die Klassen werden erst ab acht Schülern pro Standort eingerichtet. Besuchen müssen die Förderklassen außerdem nur jene Kinder, die in der ersten Schulstufe aufgenommen wurden oder gerade erst in Österreich angekommen sind.

Hälfte der Förderklassen in Wien

Das Bildungsministerium gab nun erstmals bekannt, mit wie vielen Förderklassen in diesem Herbst zu rechnen ist. Voraussichtlich wird es demnach 732 Deutschförderklassen geben. Davon geht das Ministerium laut dem vorläufigen Stellenplan aus.

Auf Wien werden mit 308 fast die Hälfte aller Förderklassen entfallen. Mit einigem Abstand folgen Oberösterreich mit 153 und Niederösterreich mit 105. In der Steiermark soll es 79 Klassen geben, in Kärnten 31 und in Salzburg 26. Die Schlusslichter sind Tirol mit 18, Vorarlberg mit neun und das Burgenland mit drei Klassen.

Ö1 hatte zuvor unter Berufung auf das Bildungsministerium berichtet, dass es 1.300 Klassen geben werde. Diese Angaben waren laut dem Ministerium falsch.

Wechsel in Regelklassen

Er habe zusätzliche Mittel bekommen, "sozusagen fresh money", sagte Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) im Ö1-"Morgenjournal". Nach Kalkulationen des Ministeriums gehe sich das budgetär aus. Die getroffenen Maßnahmen hält Faßmann für ausreichend und hofft gar auf positive Auswirkungen bis zur Matura: "Die Matura-Ergebnisse sind an Schulen mit einem hohen Anteil an Schülern mit nichtdeutscher Muttersprache nicht so berauschend", so der Bildungsminister.

Am Ende jedes Semesters wird dann der Sprachfortschritt überprüft. Dann sind drei Fälle möglich: Bei nicht entsprechendem Fortschritt muss die Deutschklasse weiter besucht werden. Sind die Verbesserungen so deutlich, dass der Schüler dem Unterricht folgen kann, wird er zum ordentlichen Schüler, wechselt in eine Regelklasse und erhält eine Förderung im Rahmen von Deutsch als Zweitsprache. Liegen die Testergebnisse dazwischen, kann der Schüler also trotz Fortschritten noch nicht ganz dem Unterricht folgen, wechselt er als außerordentlicher Schüler in die Regelklasse und erhält noch sechs Stunden pro Woche parallel zum Unterricht Förderung in einem Deutschförderkurs. Insgesamt dürfen Deutschklasse und Deutschförderkurs maximal vier Semester dauern.

Genaue Zahl kann sich noch verschieben

Insgesamt rechnet das Bildungsministerium im kommenden Schuljahr mit 34.000 außerordentlichen Schülern – das sind 8.000 beziehungsweise knapp 20 Prozent weniger als im Jahr davor. Von ihnen besuchen 11.300 die 732 Deutschförderklassen und dazu noch 3.400 "integrative" Deutschklassen. Letztere entstehen dadurch, dass reine Deutschklassen erst ab acht dafür infrage kommenden außerordentlichen Schülern pro Standort eingerichtet werden. Bleibt die Zahl darunter, erhalten die Schüler gemeinsam mit deutschsprachigen Kindern die Sprachförderung in solchen integrativen Deutschklassen. Die restlichen 19.400 außerordentlichen Schüler werden neben dem normalen Unterricht in den Deutschförderkursen gefördert.

Die genaue Zahl der Deutschklassen kann sich bis zum Schulanfang noch leicht verschieben – etwa wenn ein an einem Schulstandort angemeldetes Kind doch eine andere Schule besucht und so am ersten Standort nicht die nötige Zahl von acht Schülern erreicht wird.

Insgesamt wird ab Herbst österreichweit an jeweils 60 Prozent der Volks- und Neue- Mittelschule-(NMS-)Standorten eine Form dieser Sprachförderung (Deutschklasse oder Deutschförderkurs) geführt. In Wien ist das an 93 Prozent der Volksschul- und an 80 Prozent der NMS-Standorte der Fall. Oberösterreich, Salzburg und Vorarlberg kommen auf Anteile von über 70 Prozent bei den Volksschulen, Salzburg und Tirol auf rund 80 Prozent bei den NMS.

Kritik von mehreren Seiten

An den Deutschförderklassen gibt es von Expertenseite viel Kritik. Der Sprachwissenschafter Hannes Schweiger von der Universität Wien kritisierte im Gespräch mit dem STANDARD die geplante Größe der Klassen: Mit durchschnittlich 18 bis maximal 25 Schülern aus mehreren Schulstufen sei das Erreichen der angedachten pädagogischen Ziele unmöglich.

Schweiger befürchtet daher, dass die Deutschklassen "eher segregierend als integrierend wirken". Dem schließt sich der Erziehungswissenschafter Ferdinand Eder an: "Ich kenne niemanden, der dieses derart starre Modell, das für ganze Semester gelten soll, gut findet."

Paul Kimberger, der Vorsitzende der Pflichtschullehrergewerkschaft, findet, dass die Deutschklassen "viel zu überhastet" kommen. Er plädiert für die Verschiebung um ein Jahr.

Glücklich ist auch der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) nicht, was die Deutschklassen betrifft. Er wünscht sich mehr Schulautonomie und ganztägige Schulformen. Er erwarte sich, dass beginnende mit dem Bereich der Frühkind- und Elementarpädagogik die entsprechenden Mittel auch weiterhin zur Verfügung gestellt werden, damit rasch die deutsche Sprache gelernt werden könne.

Trotz der am Freitag endenden Begutachtungsfrist trafen bisher erst neun offizielle Stellungnahmen ein, verkündete das Bildungsministerium. (red, 23.8.2018)