Wien – Mehr als eine Minute sitzt Benjamin F. mit hängenden Schultern auf dem Anklagestuhl und starrt ins Nichts. "Herr F., die Verhandlung ist beendet", informiert Vorsitzende Olivia-Nina Frigo den 30-Jährigen, der darauf nicht reagiert. Erst eine Ex-Freundin bewegt den Angeklagten dazu, den Saal zu verlassen. Vor der Tür bricht er emotional zusammen – erst dort scheint er verarbeitet zu haben, dass er nicht rechtskräftig wegen Vergewaltigung zu 3,5 Jahren Haft und zur Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verurteilt worden ist.

Es ist dies der zweite Verhandlungstag des Schöffenprozesses gegen den Unbescholtenen, der die 20-jährige Frau S. zweimal mit einem Tee betäubt und die Wehrlose beziehungsweise Schlafende penetriert haben soll. Auch andere Frauen schilderten am ersten Prozesstag, dass sie nach dem Teekonsum einen Filmriss hatten und mit heruntergelassener Hose aufwachten.

Feuchter Penis beim Aufwachen

Zunächst wollen Vorsitzende Frigo und Beisitzer Thomas Spreitzer von dem leugnenden Angeklagten noch eine Klarstellung des zweiten Vorfalls. Bei der Polizei hatte F. noch gesagt, es könne sein, dass er im Schlaf in die neben ihm schlummernde S. eingedrungen sei, schließlich sei sein Penis feucht gewesen. Geweckt worden sei er erst durch S.s Schlag in seinen Magen. Vor Gericht hatte er beteuert, es habe keinen intimen Kontakt gegeben, er habe, im Gegenteil, zur Sicherheit sogar zwei Hosen im Schlaf getragen.

Sein feuchtes Glied erklärt er Frigo zunächst als "Morgenlatte". Beisitzer Spreitzer wundert das. "Eine Morgenlatte ist üblicherweise nicht feucht", stellt er fest. "Es gibt auch feuchte Träume", kontert der Angeklagte. "Das haben Sie aber vorher nicht gesagt." F. glaubt nicht wirklich an erotische Träume als Grund für die Feuchtigkeit, denn: "Es gab keine Spuren. Wenn ich wirklich ejakuliert hätte, wäre das ganze Bett eine Sauerei gewesen", verweist er auf seine große Ejakulatmenge.

Tee mit Psychopharmaka-Wirkung

Als erste Zeugin tritt eine Ex-Freundin des Angeklagten auf, die von Jänner 2016 bis April 2017 bei ihm gewohnt hat. Sie berichtet, dass sie im Winter 2016/17 einmal eine Kanne Tee mit dem Angeklagten getrunken habe, der angeblich von einer anderen Ex-Freundin stammte. "Als ich ihn getrunken habe, habe ich gleich gesagt, der hat die Wirkung von meinen Psychopharmaka", erinnert sich die 28-Jährige. "Welche Wirkung?", fragt Spreitzer nach. "Einschläfernd." Zu unerwünschten sexuellen Handlungen sei es aber nie gekommen.

Angeblich habe F. kurz vor oder nach ihrem Einzug den Tee auch untersuchen lassen, dabei seien Medikamentenrückstände gefunden worden. F. hat davon bisher nichts erzählt, interessanterweise hatte er aber behauptet, den "Entspannungstee" immer wieder von einem Freund aus Thailand bekommen zu haben.

Zwei weitere Ex-Freundinnen berichten als Zeuginnen, ihnen hätte er nie einen Tee gemacht, F. habe zur Beruhigung manchmal Kamillentee getrunken. Den vom Angeklagten behaupteten Hang zum Schlafwandeln kann keine der Frauen bestätigen. Eine von ihnen sagt allerdings, F. habe ihr von einem Telefonat mit S. und einem weiteren mutmaßlichen Opfer erzählt, in dem diese ihm mit Anzeige gedroht hatten.

Verteidiger vermutet Intrige

Verteidiger Karlheinz Amann vermutet daher eine Intrige der Frauen. Schließlich laufe derzeit gegen eine von ihnen selbst ein Strafverfahren – sie soll im März F. in einem Lokal ein Glas an den Kopf geworfen haben, was ein Cut und eine Gehirnerschütterung zur Folge gehabt haben soll. Beim Prozessauftakt am Montag hat Iris W. den Vorwurf bestritten und behauptet, sie habe F. nur den Inhalt des Glases ins Gesicht geschüttet.

Der psychiatrische Sachverständige Karl Dantendorfer diagnostiziert beim Angeklagten, der als Sechsjähriger missbraucht worden ist, eine Störung der Persönlichkeitsstruktur und sieht, falls ihn das Gericht für die angeklagte Tat verurteilt, eine "Sexualpräferenzstörung", die F. zu schlafenden und wehrlosen Frauen hinzieht und ihn gefährlich mache. Für das Gericht steht schließlich "eindeutig fest", dass der Angeklagte die Taten begangen habe, wie Frigo dem versteinerten F. darlegt. (Michael Möseneder, 23.8.2018)