Paris/Wien – Bei der Europäischen Weltraumorganisation Esa darf aufgeatmet werden: Mit mehr als sieben Jahren Verspätung konnte in der Nacht auf Donnerstag eine Mission ins All geschickt werden, von der sich Wissenschafter revolutionäre Daten erhoffen: Der Satellit Aeolus soll erstmals globale Windprofile erstellen, vom Boden über die Troposphäre bis zur Stratosphäre in einer Höhe von 30 Kilometern. Das soll genauere Kenntnisse der atmosphärischen Zirkulation und Dynamik von Windsystemen ermöglichen, aber auch unser Wissen über Klimaphänomene wie El Niño verbessern. Nicht zuletzt sollen diese Daten frei zugänglich gemacht werden und dabei helfen, Wettervorhersagen zu verbessern.

Mit mehrjähriger Verzögerung ist Aeolus in der Nacht auf Donnerstag vom Weltraumbahnhof Kourou ins All gestartet.
Foto: APA/AFP/ARIANESPACE/HO

Teure Verspätung

Dass der nach dem griechischen Gott der Winde benannte Satellit nicht wie geplant schon seit 2011 um die Erde kreist, lag an Problemen bei der Entwicklung seines Ins trumentariums, die sich auch finanziell niedergeschlagen haben: Mit etwa 480 Millionen Euro ist das Projekt deutlich teurer ausgefallen als ursprünglich vorgesehen. "Aeolus ist unser anspruchsvollstes, komplexestes Satellitenprojekt und leider auch das mit der größten Verzögerung", sagt Josef Aschbacher, Direktor der Erdbeobachtungsprogramme der Esa, zum STANDARD.

Das Herzstück der Mission ist eine neue Lasertechnologie mit Namen Aladin (Atmospheric Laser Doppler Lidar Instrument): Dieses Instrument besteht aus einem Laser und einem 1,5-Meter-Spiegelteleskop, womit nach dem Lidar-Prinzip Luftströmungen großräumig erfasst werden können. Dafür werden kurze Lichtimpulse im nahen UV-Bereich ausgesendet, deren Rückstreuung das Spiegelteleskop registriert. Die reflektierte Strahlung erlaubt Rückschlüsse auf Feuchtigkeitsverteilung, Strömungs- und Windverhältnisse in unterschiedlichen Höhen der Atmosphäre mit großer Genauigkeit.

Gut drei Jahre lang soll der Esa-Satellit Aeolus Daten sammeln.
Illustration: Esa/Airbus

Besser Vorhersagen

Für Wettervorhersagemodelle sind diese Daten eine wichtige Variable. Bisher werden für die Bestimmung von Windgeschwindigkeiten und Richtungen etwa Wetterballone genutzt und Satellitenbilder ausgewertet, doch das Ergebnis ist meist nur auf eine bestimmte Höhe begrenzt und lückenhaft.

Das soll sich mit der neuen Technologie ändern, hofft Aschbacher: Schon im kommenden Jahr könnten die Messdaten in Wettervorhersagen einfließen. Der Österreicher, der seit 2016 das zuständige Esa-Direktorat führt, betont aber, dass Aeolus in erster Linie eine Testmission sei. Etwa drei Jahre lang soll der Satellit in einer Höhe von nur 320 Kilometern die Erde in einer polaren Umlaufbahn umkreisen. Einmal pro Woche muss die Flugbahn angehoben werden, damit Aeolus nicht vorzeitig in der Erdatmosphäre verglüht. Wenn die Messungen des Laser-Instruments die Erwartungen der Esa erfüllen, könnte dann in einigen Jahren eine umfangreichere Mission zur Vermessung der globalen Winde gestartet werden.

Das Atmospheric Laser Doppler Lidar Instrument schickt Lichtimpulse im nahen UV-Bereich aus und registriert deren Rückstreuung.
Illustration: Esa/Airbus

Das Aladin-Instrument soll auch die vertikale Verteilung von Wolken und Aerosolen präzise untersuchen, also von winzigen Schwebeteilchen in der Luft wie Staub, Pollen oder Rußpartikel. Selbst in sehr kleinen Konzentrationen können diese einen großen Einfluss auf Luftqualität, Wetter- und Klimaprozesse haben, heißt es seitens der österreichischen Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), die sich bereits auf die Nutzung von Aeolus-Daten für ihre Modelle vorbereitet. (David Rennert, 24.8.2018)