Ein Schlingfaden hat seine Ranke um eine Galle an einem Eichenzweig geschlungen.
Foto: Scott Egan & Matt Comerford

Houston – Unter den verschiedenen Parasiten, die Eichen befallen können, stehen zwei – ein Tier und eine Pflanze – in einem Verhältnis zueinander, das Forscher nun zum ersten Mal beobachtet haben: Die Pflanze, ein Lorbeergewächs aus der Gattung der Schlingfäden, zapft nämlich nicht nur den Baum an, sondern auch eine Gallwespe, die dasselbe vorhatte. Das Insekt kommt dadurch oft zu Tode.

Die winzigen Gallwespen haben ihren Namen davon, dass sie die Biochemie der von ihnen befallenen Pflanzen manipulieren. Sie injizieren ihnen Stoffe, die tumorähnliche Wucherungen auslösen, sogenannte Gallen. Im Inneren dieser Wucherungen wachsen die Larven der Wespen heran und ernähren vom pflanzlichen Gewebe, bis sie sich nach der Verpuppung ins Freie durchbeißen.

Rice University

Auch Schlingfäden zehren von der Substanz des von ihnen befallenen Baums. Dabei lassen es aber nicht alle bewenden, berichtet nun ein Forscherteam um Scott Egan von der Rice University (US-Bundesstaat Texas) in "Current Biology". Nachdem ihm eine Studentin Ranken des Schlingfadens Cassytha filiformis ins Labor gebracht hatte, die um Eichengallen geschlungen waren, überprüfte Egan, ob so etwas in der Natur öfter vorkommt – und fand die zuvor noch nicht beobachtete Kombination überall. Die orangen Ranken scheinen die erbsengroßen Gallen, die an Eichenblättern oder -zweigen wuchern, gezielt aufzusuchen.

Für die Gallwespen der Spezies Belonocnema treatae hat das in der Regel fatale Folgen. Die erste von Egan aufgeschnittene Galle erbrachte eine ausgewachsene, aber mumifizierte Wespe. In 51 von Ranken umschlungenen Gallen fanden sich 23 eingetrocknete Wespen. Zum Vergleich untersuchte der Evolutionsbiologe auch 101 Gallen, die nicht von Schlingfäden befallen waren – dort waren ganze zwei Wespen verendet. Offenbar entzieht der pflanzliche Parasit mit seinen Wurzeln dem tierischen Konkurrenten Flüssigkeit und Nährstoffe.

So sieht eine Gewinnerin im Überlebenskampf aus: Cassytha filiformis.
Foto: S. Egan/Rice University

Abgesehen von der reinen Freude über ein bislang noch nicht dokumentiertes Phänomen bewegt den Forscher nun die Frage, wie es die Ranken schaffen, auf dem riesigen Baum die verstreut wuchernden kleinen Gallen aufzuspüren. Da Gallen letztlich in vielen Belangen Tumoren gleichen, könnten Erkenntnisse über den dafür verantwortlichen biochemischen Mechanismus sogar der Krebsforschung zugute kommen. (jdo, 26. 8. 2018)