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Nach dem "High Noon" bei den konservativen Liberalen in Australien lacht überraschend Scott Morrison, ehemals Finanzminister, als neuer Premier in Down Under.

Foto: Reuters/David Gray

Malcolm Turnbull hatte selbst in dieser schwarzen Stunde sein charakteristisches Lächeln im Gesicht, als er am Freitagnachmittag vor den Medien seine eigene politische Totenrede hielt. Es sei "eine herausfordernde Zeit als Premierminister gewesen", meinte er und listete die vielen Ziele auf, die er in seinen drei Jahren als Regierungschef erreicht habe.

"Herausfordernd" ist wohl das Understatement des Jahres. Die jüngsten Monate und vor allem Tage waren für den 63-Jährigen die härtesten seines Lebens. Eine kleine Gruppe ultrakonservativer Parteimitglieder unter Führung seines Vorgängers Tony Abbott hatte ihn unterminiert, seit Monaten, direkt und indirekt. Turnbull hatte Abbott 2015 aus dem Amt geputscht. Seither brodelte es.

Der Konflikt eskalierte am vergangenen Dienstag, als der Abbott-Vertraute Peter Dutton in einer parteiinternen Abstimmung überraschend viele Stimmen erhielt. Am Freitag dann war "High Noon". Nochmals eine Abstimmung. Doch statt des konservativen ehemaligen Innenministers und Abbott-Schützlings Dutton wählte die Partei überraschend den bisherigen Schatzkanzler Scott Morrison.

Kollektives Aufatmen

Dass danach ein kollektives Aufatmen durch die Reihen progressiver Australier ging, muss nicht erstaunen. Peter Dutton, ein Hardliner, hätte das Land dramatisch in Richtung rechts gerückt. Eine Richtung, die dann offenbar einigen Parteimitgliedern doch zu riskant war. Obwohl der 50-jährige Morrison alles andere als ein Progressiver ist.

Als Immigrationsminister hatte er eine Phase der Rücksendung und brutalen Behandlung von Bootsflüchtlingen eingeleitet. Auch wirtschaftlich ist der strenggläubige Anhänger einer evangelischen Freikirche konservativ. Weniger Regierung, weniger Staat. Mehr Freiheit für den Einzelnen. Weniger Hilfe für Bedürftige.

Beobachter hielten sich am Freitag mit Prognosen zurück, wie eine Morrison-Regierung aussehen wird. Zu groß war die Überraschung über seine Wahl. Der Australier hat einen Hintergrund im Marketing. Er gilt als einer der Architekten der weltweit anerkannten Kampagne "100% Pure" der neuseeländischen Tourismusbehörden. Später machte er sich als Chef des australischen Tourismusmarketings einen Namen. 2007 wurde er ins Parlament gewählt. Er profilierte sich als Spendensammler für die konservative Partei im Bundesstaat New South Wales. 2015 wurde er von Turnbull zum Schatzkanzler ernannt.

Morrison gilt als Verfechter von Steuersenkungen. Sein höchstes Ziel, die Unternehmenssteuer von 27,5 Prozent auch für größere Firmen zu senken, scheiterte allerdings Anfang der Woche an der Weigerung des Oberhauses, in dem die Regierungskoalition keine Mehrheit hat.

Abbotts Statthalter

Beobachter fürchten, Morrison könnte trotz seiner konservativen Ideologie für jenen Mann noch zu progressiv sein, der die größte Krise in der jüngeren australischen Politikgeschichte orchestriert hatte: Tony Abbott. "Sein einziges Ziel im Leben ist, wieder an die Macht zu kommen. Und wie wir gesehen haben, wird er alles tun, um es zu erreichen", so John Hewson, in den 1990ern Parteivorsitzender und Chef von Tony Abbott. Dass der Ex-Premier nicht gleich selbst kandidierte, erstaunte nicht. Er wäre zu umstritten gewesen. Dutton sollte ihm deshalb als Statthalter den Weg ebnen, sagen Kritiker.

An Potenzial für Konflikte fehlt es also nicht. Das Krisenthema Nummer eins ist der Klimawandel. Morrison dürfte sich davor hüten, die klimawandelskeptischen Abbott-Konservativen mit allzu revolutionären Maßnahmen zur Emissionsreduktion zu reizen. Denn so hat auch Turnbulls Untergang begonnen – bevor dieser seine Klimaprinzipien dann sukzessive über den Haufen warf. (Urs Wälterlin aus Canberra, 25.8.2018)