István Tiborcz ist der Schwiegersohn des seit 2010 amtierenden Premiers Viktor Orbán.

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Ungarn, das laut Transparency International korrupteste EU-Land neben Bulgarien, hat einen weiteren brisanten Verdachtsfall. Wie das "Wall Street Journal" in der Nacht auf Freitag berichtete, prüfen das US-Justizministerium und die Börsenaufsicht SEC derzeit Indizien, wonach ungarische Regierungsämter Softwareprodukte des US-Herstellers Microsoft überteuert eingekauft hätten.

Darin involvierte ungarische Zwischenhändler, die die Produkte preisgünstig von Microsoft erhalten hatten, könnten – so der Verdacht – mit Wissen von Microsoft aus den überzogenen Gewinnmargen Bestechungszahlungen an ungarische Amtsträger oder andere Personenkreise geleistet haben. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Die Beschaffungen durch Behörden wie Finanzamt, Polizei oder Post erfolgten in den Jahren 2013 und 2014. Die Zwischenhändler sollen für die Software von den Regierungskunden Preise verlangt haben, die um 30 bis 100 Prozent über den Einkaufspreisen lagen. Microsoft hatte schon nach einer früheren Überprüfung vier Mitarbeiter des ungarischen Microsoft-Ablegers, darunter dessen Leiter, entlassen und sich von vier involvierten Zwischenhändlern getrennt. Zwei der Entlassenen erhielten daraufhin Spitzenjobs im ungarischen Regierungsapparat, wie das ungarische Portal "G7.hu" am Freitag schrieb.

Nach Darstellung der Oppositionszeitung "Népszava" tauchten im Umfeld der Beschaffungen auch István Tiborcz, der Schwiegersohn des seit 2010 amtierenden rechtspopulistischen Premiers Viktor Orbán, und dessen Bruder Péter auf. Sie übernahmen im Frühjahr 2014 die Kontrolle über die Informatikausstattung der staatlichen Institutionen, womit sie Einfluss auf die nun überprüften Beschaffungen gehabt haben könnten. István Tiborcz und Orbáns Tochter Ráhel hatten im September 2013 geheiratet.

Suspekte Ausschreibungen

Der Schwiegersohn des Regierungschefs stieg 2015 selbst ins Softwaregeschäft ein. Seine Firma HCS Experts verdoppelte in nur einem Jahr ihren Umsatz auf drei Millionen Euro, Tiborcz gönnte sich selbst eine Dividende von 1,3 Millionen Euro. Arm war er schon davor nicht. Vor 2014 war er Miteigentümer eines Unternehmens, das Straßenbeleuchtungen an Gemeinden verkaufte. Die Ausschreibungen sollen dermaßen manipuliert gewesen sein, dass die EU-Antibetrugsbehörde Olaf einschritt. Diese stellte "organisierte Betrugsmechanismen" fest und empfahl der EU-Kommission, die für diese Projekte geflossenen EU-Förderungen in Höhe von 43 Millionen Euro von Ungarn zurückzuverlangen. (Gregor Mayer aus Budapest, 25.8.2018)