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Von links unten nach rechts oben: Seit 2009 geht es an der Wall Street stetig aufwärts.

Foto: AP Photo/Richard Drew

Es galt einen Rekordwert aus den 1990er-Jahren zu übertreffen, nämlich eine 3452 Tage andauernde Aufwärtsbewegung an der Wall Street. Gelungen ist dies am Mittwoch, womit sich der marktbreite US-Aktienindex S&P 500 im längsten Bullenmarkt der Börsengeschichte befindet. Denn mit dem Tief des Kursbarometers am 9. März 2009 war die Finanzkrise für die Börse abgehakt, seitdem geht es an der Wall Street wieder hoch her – und steil nach oben. Aber nicht nur hinsichtlich der Dauer, auch bei den Kursgewinnen kann sich der aktuelle Aufschwung sehen lassen.

"Dies ist umso bemerkenswerter, als das Wirtschaftswachstum im laufenden Konjunkturzyklus, der ebenfalls im Jahr 2009 begonnen hat, deutlich hinter früheren Zyklen zurückbleibt", heben die Experten der Fondsgesellschaft DWS hervor. Ihre Erklärung: Der Unternehmenssektor habe sich besser an die schwache gesamtwirtschaftliche Entwicklung anpassen können. Gemessen an den im historischen Vergleich recht hohen Unternehmensgewinnen scheinen die aktuellen Aktienkurse aus Sicht der DWS dennoch als gerechtfertigt – anders als in den späten 1990ern, als der zuvor längste US-Bullenmarkt mit einer gewaltigen Blase im Technologie- und Internetsektor zu Ende gegangen ist. Es folgten fast drei Jahre mit Kursrückgängen.

Getrieben von Steuerreform

Heuer hat jedenfalls US-Präsident Donald Trump mit einer Steuerreform den Unternehmensgewinnen und damit auch dem Aktienmarkt Flügel verliehen. Knapp vor Abschluss der Berichtssaison zum zweiten Quartal haben mehr als 90 Prozent der Unternehmen ihre Erträge ausgewiesen, und diese liegen laut Raiffeisen Research um rund ein Viertel über dem Vorjahresniveau, womit auch die Analystenschätzungen übertroffen worden seien. Allerdings handelt es sich bei der Steuerreform um einen Einmaleffekt des heurigen Jahres.

Daher stellt sich die Frage, wie lang die nunmehr längste Party der Wall Street noch gehen kann. Raiffeisen-Analyst Valentin Hofstätter erwartet zwar, dass der sich aufschaukelnde Handelsstreit zwischen den USA und China zunächst die Wall Street belasten wird, was in den nächsten Wochen zu Kaufgelegenheiten führen könnte. An eine nachhaltige Trendwende nach unten glaubt er allerdings nicht, da die hohen Firmengewinne den Markt stützten.

Zudem verweist Hofstätter darauf, dass nach dem Ablauf der Bilanzsaison wieder "extrem viel Geld" in Aktienrückkäufe fließen werde, welches die Firmen aufgrund der Steuerreform günstig aus dem Ausland in die USA transferieren könnten. "Auch das wird den Markt nach unten absichern", sagt der Analyst, aus dessen Sicht "es danach ausschaut, als ob es für einen Ausstieg noch zu früh ist".

Vorsicht bei Technologieaktien

Auch der britischen Vermögensverwalter M&G sieht noch kein Ende des Bullenmarkts, rät aber zur Vorsicht bei Technologie- und Wachstumsaktien. "Die Fundamentaldaten der US-Unternehmen zeigen sich zwar in solider Verfassung", meint Fondsmanager Daniel White, "aber es kommen allmählich Sorgen auf." Kopfzerbrechen bereitet ihm, dass mit Netflix, Twitter und Facebook drei große Technologiekonzerne die Gewinnziele verfehlt haben, zudem habe der Kurssturz der Facebook-Aktie Ende Juli eine Abkehr der Anleger aus dem Sektor ausgelöst: "Die Sichtweise der Anleger hat sich rasant gedreht."

Die Angst, "dass wir eine Wiederholung des Dotcom-Desasters aus den Neunzigern erleben könnten", teilt White allerdings nicht. "Der aktuelle Technologieboom ist anders als vor zwanzig Jahren. Wir sehen heute große Unternehmen mit stabilen Erträgen und überwiegend soliden Geschäftsmodellen." Vielmehr erwartet der Fondsmanager eine Fortsetzung des jüngsten Schwenks der Investoren zu Substanzwerten, da die Bewertung von Wachstumstiteln wie Technologieaktien "extrem hoch" sei. "Der Abstand zu Value-Aktien war seit 2006 nicht mehr so groß." (Alexander Hahn, 25.8.2018)