Szenen einer Hochzeit: Was für die einen ein Ritual nach dem Tanz ist, ist für die anderen der politische Kniefall. Ausgeschlachtet wurde das Material aus der Steiermark vom russischen Propagandasender RT, der die Bilder exklusiv hatte und vor allem eines im Sinne hat: Putin zu inszenieren.

Foto: Screenshot / RT

Wien – Österreichs Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) ging bei ihrer Hochzeit vor Russlands Präsidenten Wladimir Putin in die Knie, und die Bilder des kurzen Tänzchens um die Welt. Das Video hält alleine auf dem Youtube-Kanal von RT Deutsch bei fast einer Million Aufrufen. Ein PR-Video der billigen Sorte – made in Austria.

Geliefert hat den jüngsten Coup der russische Nachrichtenkanal RT, der früher Russia Today hieß, und heute nach eigenen Angaben in über 100 Ländern zu sehen ist. Gesendet wird für ein Millionenpublikum auf Englisch, Arabisch, Spanisch und seit der Präsidentenwahl 2017 auch auf Französisch. Die deutschsprachige Version RT Deutsch existiert seit 2014, vorerst allerdings nur im Internet.

Kneissl verteidigt sich am Samstag

Kneissl verteidigte am Samstag die Einladung Putins zu ihrer Hochzeit. Im Ö1-Morgenjournal sagt sie, dass der Besuch des russischen Präsidenten eine Privatangelegenheit gewesen sei. Seine Teilnahme an der Hochzeit "war als Privatperson", so Kneissl.

Befreundet seien die Politiker aber nicht, betonte die Außenministerin auf Ö1: "Freundschaft entsteht nicht so schnell. Wir hatten einige interessante Gespräche. Er hat sich für meine Sichtweise auf bestimmte Entwicklungen im Nahen Osten interessiert."

Dass die Einladung politisch Wellen geschlagen hat, habe sie nicht so wahrgenommen. Kneissl kenne keine einzige Aussage eines anderen Außenministers in der EU, dass der Besuch Putins ein Versuch gewesen sei, einen Keil in die EU zu treiben: "Kommentatoren und Journalisten ist es unbenommen ihre Einschätzung zu schreiben, wie sie das wollen."

Die Aufmerksamkeit für Österreich hätte aber einen positiven Werbeeffekt für den Tourismus gehabt, so Kneissl. Die Berichterstattung sei nicht nur negativ gewesen. Man habe auch schöne Landschaftsbilder gezeigt.

Auch die Bilder vom Tanz der Außenministerin mit Putin – vor allem der tiefe Knicks am Ende – waren Thema. Sie habe das nicht als Unterwerfung empfunden. Der Knicks habe sich aus dem Walzer heraus ergeben. Dass sie das Bild verfolgen wird, solange sie im Amt ist, denkt Kneissl nicht.

"Profil-Umfrage": Hälfte der Österreicher stößt sich nicht am Verhältnis

Wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts "Unique research" für das Magazin "profil" zeigt, stößt sich die Hälfte der Österreicher nicht am Verhältnis der Bundesregierung zu Russlands Präsident Wladimir Putin.

46 Prozent beurteilten den Umgang der Regierung mit Putin in der Befragung als "gerade richtig". 33 Prozent gaben hingegen an, dass die Regierung stärker auf Distanz gehen sollte.

Politikwissenschafter hält Aufnahmen für bedenklich

Aufmunitioniert mit einem jährlichen Budget von rund 300 Millionen Euro und weltweit über 2000 Mitarbeitern hat Russlands Senderkette RT International vor allem eine Aufgabe: Wladimir Putin zu dienen.

Politikwissenschafter und Russland-Experte Gerhard Mangott definiert RT als "Propagandasender", der bei der Berichterstattung über die Hochzeit ein "sehr menschliches, freundliches, joviales Bild" von Putin präsentiert hat. Mit Kalkül: "RT hat das nach Außen transportiert, die staatlichen Medien in Russland haben das Bildmaterial von RT übernommen und die Öffentlichkeitsarbeit für Putin nach innen gemacht."

Als Türöffnerin habe die Außenministerin fungiert: "Nicht Wladimir Putin hat Karin Kneissl ein Geschenk zur Hochzeit gebracht, sondern Österreichs Außenministerin hat Russland Präsidenten gratis eines geliefert."

Mangott hält diese Aufnahmen, mit denen RT die Hochzeit, aber eigentlich Putin in Szene setzte, für sehr bedenklich, sagt er im Gespräch mit dem STANDARD: "Es ist schwer nachzuvollziehen, warum ein Fernsehsender mit so klarer Aufgabenstellung solch exklusives Bildmaterial bekommt." Hier müsse man sich die Frage stellen, ob eine Außenministerin zulassen könne, "Bilder für einen Propagandakanal zu liefern", die rein der Vermarktung Putins dienen. Im inneren Zirkel der Hochzeit war ansonsten nur ein Fotograf der Nachrichtenagentur APA zugelassen.

Eine Frage, keine Antworten

Das Video dürfte von Putins Delegation stammen. Es seien private Aufnahmen gewesen, die den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hätten, sagt hingegen ein Pressesprecher Karin Kneissls. Konkretisieren möchte er das nicht. Mehrmalige Nachfragen des STANDARD bleiben unbeantwortet.

Ein Beitrag des russischen Senders RT, der den Besuch als Propaganda für Putin ausschlachtet.
RT Deutsch

Neben Propagandabildern wollte die Kreml-Spitze jedenfalls die FPÖ aufwerten, sagt Gerhard Mangott: "Das war ein Signal an die russlandfreundliche FPÖ und ihrer ideologischen Affinität zur Kreml-Führung."

Diese ideologische Affinität zeigt sich auch zwischen RT und der FPÖ, die mit FPÖ-TV ihren eigenen TV-Kanal betreibt. "Wenn RT etwas von der FPÖ braucht oder umgekehrt, ist der Dienstweg sehr kurz", sagt ein Journalist, der für den Sender arbeitet, aber anonym bleiben möchte. Österreich steht nicht erst seit der schwarz-blauen Regierung im Interesse von RT. Bereits seit einigen Jahren lässt der Sender eigene Beiträge produzieren. Der Grund: Österreich ist Sitz internationaler Organisationen wie Opec und OSZE.

Auftraggeber ist meist die Nachrichtenagentur Ruptly, die von Berlin aus als Drehscheibe in der RT-Senderkette agiert und ebenso wie RT ein Tochterunternehmen des staatlichen russischen Medienbetriebs Rossija Sewodnja ist.

In Österreich verfügt RT zwar über keine eigene Redaktion, lässt aber freie Mitarbeiter und Produktionsfirmen ausrücken, wenn zum Beispiel die rechtsextremen Identitären marschieren, eine politische Kundgebung stattfindet oder wenn ein Felsbrocken in ein Wohnhaus in Sölden donnert.

Gesendet wird, was interessiert. Auch wenn der Rubel rollt, geht es um Quoten und Klicks. Vieles, aber nicht alles ist politisch.

Nicht alles Propaganda

80 Prozent der Beiträge aus Österreich könnten auch auf anderen Sendern als RT laufen, sagt der Journalist, der Rest diene der Instrumentalisierung russischer Interessen. Gebe man sich als RT-Mitarbeiter zu erkennen, würden nicht selten Interviews oder Akkreditierungen verweigert. Zu offensichtlich ist der Zweck des Mediums: Kreml-Propaganda.

Die ideologische Ausrichtung von RT ist nicht immer gleich auf den ersten Blick klar. Deutlich wird sie, wenn etwa Martin Sellner von den österreichischen Identitären bei RT Deutsch sitzt, um in der Interviewreihe Der fehlende Part über "Multikulti in Europa" zu schimpfen, oder FPÖ-Politiker Johannes Hübner via "exklusivem Kommentar" die Russland-Sanktionen kritisiert.

RT wurde 2005 als Russia Today gegründet. Konzipiert als Sender, der über Russland berichtet. Der Fokus lag in der Inlandsberichterstattung, was sich ab 2009 radikal veränderte, erklärt Politikwissenschafter Mangott: "Ziel war es dann, über politische Skandale im Ausland, Konflikte oder soziale Missstände zu berichten und eine alternative Interpretation der internationalen Politik zu verbreiten." Heute sind es der Syrien-Krieg, der Ukraine-Konflikt oder die Flüchtlingsbewegungen.

Für diesen Bruch damals nennt Mangott zwei Gründe. Erstens: die Verschlechterung der Beziehungen zwischen Russland und dem Westen nach dem Kaukasuskrieg 2008. "Man wollte den Spiegel umdrehen."

Zweitens habe der Kreml erkannt, dass im Westen der Wunsch nach einer Gegenöffentlichkeit existiere – eine Folge des Vertrauensverlustes in Medien. RT liefert das Futter. (Oliver Mark, 25.8.2018)