Der deutsche Chiphersteller Infineon gehört zu den letzten verbliebenen Halbleiterkonzernen in Europa. Komplexe Anwendungen wie das vernetzte Auto brauchen extrem viel Forschung und Entwicklung.

Foto: Infineon

Alpbach/Wien – Bis Silicon Austria Weltgeltung erlangt, wird einige Zeit vergehen. Schon die Zeit bis zur Unterschrift unter die Gründungsurkunde war mit zwei Jahren mehr als ausgereift. Sehr ausgegoren wirken die Umsetzungspläne der auf einen Wunsch der Halbleiterindustrie zurück gehenden Idee heute trotzdem nicht. Den damaligen Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) ließ sie dennoch nicht mehr los.

Als Steirer favorisierte er ein Zentrum mit überregionaler Bedeutung in Graz. Damit konnte er sich allerdings nicht durchsetzen. Zu groß war der Druck seines Parteikollegen, des Kärntner Landeshauptmannes Peter Kaiser, der mit Infineon in Villach den bedeutendsten Player beherbergt. Zumal es darum ging, eben diesen Standort Villach zu behübschen. Nun soll das außeruniversitäre Forschungszentrum Carinthian Tech Research (CTR) im Silicon Austria aufgehen. Infineon hat erst heuer bekanntgegeben, 1,6 Milliarden Euro in ein neues Chipwerk in Villach zu investieren. Dafür braucht es auch Forschung, deren Ergebnisse in einer solchen Verbindung leichter zugänglich werden.

"Realer Föderalismus"

Das Tauziehen endete typisch österreichisch: Es wird zwei Standorte geben, Graz und Villach, und eine Dependance in Linz. "Das ist realer Föderalismus", ätzt man in der Szene mit Verweis auf die scharfe Kritik des Rechnungshofs an Doppelförderungen und anderen strukturellen Mängeln der Competence Centers for Excellent Technologies (Comet), bei denen Universitäten und Wirtschaft kooperieren. Die Komet-Zentren wurden von 2007 bis 2017 durch den Bund mit 522 Millionen Euro gefördert, weitere 262 Millionen flossen seitens der Länder.

Auffällig an dieser Gründung in einer ohnehin stark diversifizierten heimischen Forschungsförderlandschaft: Sie ähnelt in der Struktur den Comet-Kompetenzzentren der Forschungsförderungsellschaft FFG, soll aber nicht zeitlich limitiert sein und explizit außer Reichweite der staatlichen Förderagentur bleiben. Auch deshalb sei Silicon Austria außerhalb angesiedelt. Die FFG werde aber begleitende Qualitätskontrolle liefern, skizziert Ministerialrat Ingolf Schädler vom federführenden Verkehrsministerium die Konstruktion.

Tanker und Schnellboote

Er bemüht das Bild vom Tanker und den Schnellbooten, die alle gemeinsam die heimische F&E-Landschaft voranbringen. Comet-Zentren seien Schnellboote, Silicon Austria soll ein Tanker werden. 280 Millionen Euro für die kommenden fünf Jahre seien erst der Anfang, sagt er.

F&E-Experten sehen das neue Institut insofern kritisch, als die je 70 Millionen Euro von Bund und Ländern sowie 140 von Industriepartnern wie Infineon für die angestrebten 400 Spitzenforscher, die Anmietung von Laboratorien (bei der TU Graz) und die Finanzierung von Stiftungsprofessoren nie reichen würden. Das könne angesichts der finanziellen Ausstattung wohl ein hochsubventioniertes Entwicklungszentrum werden, aber kaum ein Weltklasse-Forschungszentrum nach Vorbild des belgischen Nano- und Mikroelektronik-Forschungszentrums Imec in Leuven, das mit 4000 Forschern, 400 Millionen Euro Umsatz und einem Jahresbudget allein von der öffentlichen Hand von 108 Millionen Euro zur Weltspitze gehört. Allein die angestrebten 400 Spitzenforscher ins Silicon Austria zu bringen, sei eine Herausforderung, auch mit Stiftungsprofessuren, geben grundsätzlich wohlmeinende Beobachter zu bedenken.

Kritisch sehen mit Entstehungsgeschichte und Zielsetzungen vertraute Personen vor allem den "Demand"-orientierten Ansatz der Industrie. Grundlagenforschung werde da wohl nicht Schwerpunkt sein. Ohne diese funktioniere so etwas aber insbesondere in der Mikroelektronik nicht.

Läuft alles gut an, müssten die Mittel natürlich massiv erhöht, vielleicht verdoppelt werden, um in die Gegend der Weltspitze vorzustoßen, geben sich die Gründer ungerührt. (pi, ung, 25.8.2018)