Vizenkanzler Strache will Asylwerbern die Möglichkeit zur Lehre gesetzlich untersagen.

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Wien – Arbeitsmarktexperten hatten diese Debatte bereits erwartet: Wenn der Druck auf die Bundesregierung weiter wächst, Asylwerbern, die eine Lehre absolvieren, ein Bleiberecht zu geben, wird irgendwann die Forderung laut, Asylwerbern keinen Zugang mehr zur Lehre zu gewähren. Am Sonntag war es so weit.

Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat erklärt, dass Sozialministerin Beate Hartinger-Klein prüfen werde, ob man jenen "falschen" Erlass, der die Lehre für Asylwerber geöffnet hat, zurücknehmen wird. "Denn das dürfte ja nicht sein: Wenn einer kein Bleiberecht hat, sollte er keine Lehre beginnen dürfen", sagte Strache der Tageszeitung Österreich.

Wenig später dann erklärte der Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal, dass der alte Erlass in der Tat fallen wird. Man wolle eine Neuregelung prüfen.

Folgen der Neuregelung noch unklar

Unklar ist allerdings, ob die Neuregelung mehr Härte für betroffene Asylwerber und Unternehmer bedeutet oder eine liberalere Lösung bringen wird. Launsky-Tieffenthals Worte lassen beide Interpretationen zu. So betonte er, dass man verhindern wolle, dass das "Asylrecht mit einer Lehre umgangen werden kann". Gleichzeitig soll ein eigener Aufenthaltstitel für Lehrlinge in Österreich geschaffen werden, so der Sprecher, womit angedeutet sein kann, dass Asylwerber, die eine Lehre absolvieren, im Land bleiben könnten. Eine Nachfrage an Launsky-Tieffenthal blieb unbeantwortet.

Der frühere Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) hatte im Jahr 2012 die Lehre für Asylwerber geöffnet. Per Erlass war damals geregelt worden, dass Asylwerber im Alter von bis zu 18 Jahren eine Lehre in einem Beruf annehmen können, in dem Lehrlinge fehlen. Zunächst meldeten sich nur sehr wenige Menschen, weshalb die Altersgrenze 2013 auf 25 erhöht wurde. Zu den Mangelberufen zählen aktuell etwa Tischler, Koch, Stylistin, Elektrotechniker.

Da die Regelung nur auf einem Erlass des Ministers beruht, könnte die freiheitliche Sozialministerin Hartinger-Klein den Zugang zur Lehre in der Tat im Alleingang jederzeit aufheben. Schwieriger wird schon die Neuregelung. So gibt es inzwischen eine breite Koalition, die sich für ein Bleiberecht für Lehrlinge einsetzt. Politisch koordiniert wird sie vom oberösterreichischen Landesrat Rudi Anschober von den Grünen. Er sieht in der Lehre für Asylwerber die beste Möglichkeit für gelungene Integration.

Anschober tat sich am Sonntag schwer damit, die neue Linie der Regierung zu bewerten. Bisher seien das "nur Schlagworte", so Anschober. Alles hängt davon ab, wie die Neuregelung aussieht. So müsse eine Lösung mit Bleiberecht für die 1000 Asylwerber in Lehre gefunden werden. Anschober sieht Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Zug. Kurz hatte sich in der Vergangenheit gegen ein Bleiberecht ausgesprochen, sich in der jüngsten Debatte aber nicht zu Wort gemeldet.

Neos kritisieren den Plan der Regierung

Kritik an Strache und am Ende des Zugangs zur Lehre für Asylwerber kam vom Salzburger Neos-Politiker und Nationalratsabgeordneten Sepp Schellhorn. "Was Strache will, ist Frust und Resignation unter den jungen Asylwerbern verbreiten und damit das Land spalten." Wenn Kanzler Kurz Strache nicht stoppt, "dann gehört er auch zu den Spaltern".

Schellhorn sagt, er würde es begrüßen, wenn Asylwerber, die eine Lehre absolvieren, die Rot-Weiß-Rot-Karte bekommen. Die Gefahr sei aber eine Salamitaktik: Die Regierung schafft die Lehre für Asylwerber ab und tut dann gar nichts, fürchtet Schellhorn. Die Verhandlungen über einen Aufenthaltstitel für Lehrlinge, etwa via Rot-Weiß-Rot-Karte, könnten sich Monate hinziehen.

Gräben in der ÖVP

Gräben im Streit um die Lehrlinge verlaufen nicht nur zwischen Regierung und Opposition, umstritten ist die Frage auch in der ÖVP. Für die Lehrlinge setzen sich viele schwarze Wirtschaftstreibende ein. So fordern die meisten Landesorganisationen der Wirtschaftskammer (WKO) eine "humanitäre" Lösung, klar positioniert hat sich die WKO in Oberösterreich, Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Wien und der Steiermark. Zur Abschiebung von Lehrlingen bekannt hat sich jüngst Jürgen Mandl, Präsident der Kärntner Kammer. Im Büro von WKO-Chef Harald Mahrer hieß es, man plädiere für eine "humane und praktikable" Lösung und wünsche einen Zugang von Drittstaatsangehörigen zu Ausbildungsplätzen.

Strache begründete seine Ablehnung der Lehre für Asylwerber damit, dass es "genügend Jugendliche gibt, die eine Lehre suchen".

Österreichweit gibt es aktuell mehr offene Lehrstellen als Lehrstellensuchende. Beim Arbeitsmarktservice sind 12.545 Lehrstellen gemeldet. Es gibt aber nur 10.024 Lehrstellensuchende. Dabei gibt es ein Ost-West-Gefälle: Im Westen fehlen Lehrlinge, etwa in Salzburg und Oberösterreich.

Hinzu kommt, dass viele der Lehrplätze nicht begehrt sind. So berichten zum Beispiel Dachdeckerbetriebe davon, dass sich auf ihre Stellenanzeigen niemand meldet. Der Arbeitsmarktforscher August Gächter sagt, dass es unter den Jugendlichen Trends gibt: Bestimmte Jobs haben kein gutes Image und sind nicht gefragt. (András Szigetvari, 26.8.2018)