Spaziergang im Dorf: Aleksandar Vučić, Johannes Hahn, Günther Platter, Ehepaar Doris Schmidauer und Alexander Van der Bellen, Franz Fischler, Hashim Thaçi, Borut Pahor (v. li.).

Foto: Forum Alpbach / Andrei Pungovschi

Trotz strömenden Regens hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Wochenende in Alpbach versucht, gut Wetter zu machen. Auf einer Art kleinem Balkangipfel sprach er von einem "positiven Momentum", das es zu nützen gelte. Die Chancen für eine Versöhnung zwischen Serbien und dem Kosovo stünden so gut wie lange nicht. Und damit stiegen auch die Chancen der gesamten Region, auf dem Weg in die Europäische Union weiterzukommen.

Van der Bellen hatte seine Amtskollegen aus Serbien, dem Kosovo und Slowenien eingeladen: Aleksandar Vučić, Hashim Thaçi und Borut Pahor. Samstagabend eröffneten die Herrschaften mit EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn die politischen Gespräche in Alpbach – der Serbe und der Kosovare saßen beinahe einmütig nebeneinander auf der Bühne und teilten sich friedlich ein Mikrofon.

Die Differenzen zwischen den beiden waren mit den Händen greifbar, dennoch wirkten sie koordiniert und willens, einen Deal auszuhandeln, der den Kosovo-Konflikt endgültig beenden und Prishtina die langerhoffte Anerkennung als unabhängiger Staat auch durch Belgrad bringen soll.

Eingefrorener Konflikt

"Ich bin immer pessimistisch, weil ich weiß, wie viele Hürden noch zu bewältigen sind und wie weit unsere Meinungen noch auseinanderliegen", sagte Vučić bei der gemeinsamen Pressekonferenz am Morgen darauf. Der Zeitpunkt sei jetzt gekommen, sonst werde dieser "eingefrorene Konflikt" irgendwann "aufgetaut" werden, und dann "haben wir Krieg".

"Es gibt große Differenzen, aber die einzige Möglichkeit ist, diesen Dialog fortzusetzen. Ohne eine Einigung behindern wir einander auf dem Weg in die EU", sagte Thaçi später in einem Interview mit dem STANDARD. Über Details der Verhandlungen wollte Thaçi keine Auskunft geben – dem Vernehmen nach sollen aber beide Seiten bereits über Gebietsaustausch verhandeln. Er sei für eine Änderung der Grenzziehung, sagte Thaçi, allerdings: "Der Kosovo wird nicht geteilt werden, es wird keinen Gebietsaustausch geben. Und ich habe bisher nichts darüber gehört, dass er etwas in dieser Richtung vorschlagen wird. Der Kosovo wird den multiethnischen Geist bewahren."

Am 7. September werden Vučić und Thaçi zu einer Verhandlungsrunde in der Sache bei der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini in Brüssel erwartet. Einige Tage später soll der serbische Präsident einen großen Auftritt und eine programmatische Rede im Norden des Kosovo planen. EU-Kommissar Hahn versicherte den beiden Ländern die Unterstützung der Union. Der interne Streit müsse auf jeden Fall vor einem EU-Beitritt beigelegt sein.

"Gute Chance" für Einigung

In der Analyse von Diplomaten oszillieren die Bemühungen zwischen positiver Aufbruchstimmung und einem möglichen Vorlauf zu einem "großen Knall" auf dem Balkan. Der frühere Bosnienbeauftragte der Vereinten Nationen, Wolfgang Petritsch, sah im Gespräch mit dem STANDARD eine "gute Chance" für eine mögliche Einigung und jedenfalls keine Rückkoppelungen etwa auf die Verhältnisse in Bosnien, wo es starke Abspaltungstendenzen der Republika Srpska gibt.

Der slowenische Präsident Pahor kritisierte unterdessen die EU wegen ihrer Haltung zum Grenzstreit mit Kroatien: "Einerseits verlangt sie die Beilegung von Grenzfragen, während sie nicht auf die Einhaltung der Abmachung besteht." Die beiden EU- und Nato-Mitglieder streiten um den Grenzverlauf in der Bucht von Piran in der nördlichen Adria. Im vergangenen Sommer hat ein in einem bilateralen Abkommen auf EU-Vermittlung eingesetztes Schiedsgericht den Großteil der Bucht Slowenien zugesprochen. (Christoph Prantner, 26.8.2018)