Das Motto des österreichischen EU-Ratsvorsitzes lautet "Ein Europa, das schützt." Aber wer oder was wird vor wem beschützt? Während beim Europäischen Forum Alpbach das Verbindende vor das Trennende gestellt und Solidarität mantrahaft beschworen wird, mangelt es an diesen mahnenden Worten der Gemeinsamkeit im politischen und medialen Alltag außerhalb des kitschigen Alpendorfs. Hier wird abstrakt über die Zukunft Europas diskutiert, fernab dieser Idylle arbeitet man an der Zersetzung eines gemeinsamen, gleichberechtigten Europas. Selbst jene Politikerinnen und Politiker, die sich andernorts europafeindlich positionieren, sprechen hier von Zusammenhalt und europäischer Solidarität. Zurück in ihren Ländern bedienen sie sich aber einer bewusst toxischen Sprache, die das europäische Integrationsprojekt gefährdet.

Rechtspopulismus als Debatte

Die Sprache, die wir verwenden, bestimmt die Realität, in der wir leben. Die Initiativgruppe Alpbach Wien hat es sich daher mit ihrer Aktion beim diesjährigen Forum Alpbach zum Ziel gesetzt, darauf aufmerksam zu machen, welch toxische Art zu sprechen sich in Europa breit macht. Das Phänomen toxischer Sprache steht in direktem Zusammenhang mit sich immer weiter verbreitendem Rechtspopulismus in Europa, der auch hier in Alpbach in verschiedenen Foren kontrovers debattiert wird.

"Europa soll verbinden" fordert die Initiativgruppe Alpbach Wien bei einer Aktion.
Foto: IG Wien

Bedrohliche Sprache

In einer Breakout Session, also einer Panel-Diskussion in kleinerem Rahmen, wird über "Demokratien unter Druck: Zivilgesellschaft und Populismus" diskutiert. Dabei geht es um die Rechte und Pflichten der Medien in Europa und um Menschenrechte wie das Recht auf Asyl, deren Verteidigung mittlerweile oft als radikale Position empfunden wird. Den wachsenden Rechtspopulismus versteht man am Panel vor allem als Symptom langjähriger problematischer Entwicklungen wie fehlender Sozialpolitik (Wohnungsnot, Niedriglöhne, et cetera), neoliberaler Wirtschaftspolitik und blindem Fokus auf Migrationsfragen. Bundespräsident Alexander van der Bellen hat daher bei der Eröffnung der politischen Gespräche am Vorabend nicht ohne Grund bemerkt, dass er Migration nicht für die größte politische Herausforderung halte.
 
Am Forum rückt die Diskussion der Auswirkungen von Rechtspopulismus auch vor großem Publikum ins Zentrum: Man bespricht "antidemokratische Tendenzen, sozialen Unmut und Politikverdrossenheit" mit Expertinnen und Experten und fragt "Was können wir tun, um die Solidarität in Europa zu stärken?" Um diese Fragen beantworten zu können, gilt es auch das Problem der toxischen Sprache zu analysieren: Was ist damit gemeint und warum ist diese Art zu sprechen so gefährlich? Die Art und Weise wie in weiten Teilen der Gesellschaft über die Europäische Union gesprochen wird, stellt eine Verrohung der Sprache dar. Wenn die EU als "Schuldenunion" verunglimpft wird, dann wird bewusst darauf vergessen, dass es sich dabei um das erfolgreichste Projekt zur Befriedung Europas handelt und die EU auch für unseren wirtschaftlichen Wohlstand verantwortlich ist.

Toxische Sprache ist das Mittel der Rechten, um den politischen Diskurs zu dominieren.
Foto: Initiativgruppe Alpbach Wien

Ebenso werden Menschen auf der Flucht zu einer bedrohlichen "Flüchtlingswelle" stilisiert, die an der "Festung Europa" bricht. Was außen vor bleibt, sind die Gesichter und persönlichen Geschichten dieser Menschen, ihr Leid und ihre Hoffnungen. Die Öffentlichkeit interessiert sich für "die Schließung der Balkanroute", während täglich Menschen im Mittelmeer ertrinken. Das Motto der österreichischen Ratspräsidentschaft lautet "Ein Europa, das schützt", doch vermag Europa jene Menschen nicht zu schützen, die außerhalb seiner Grenzen geboren wurden.

Detox your speech!
 
Was also können wir tun, um die Diskurshoheit zurückzugewinnen und die mediale Repräsentation von Europa im Angesicht der Wahlen zum Europa-Parlament 2019 zum Positiven zu verändern? Erste Erfolgsbeispiele kommen aus unterschiedlichsten Bereichen: Seien es überparteiliche politische Bewegungen wie Márton Gulyás‘ Engagement in Ungarn, die Operation Libero, die sich als politische Bewegung mit starker Bildsprache und wertbasierten Kampagnen "für eine weltoffene und zukunftsgewandte Schweiz einsetzt" oder die europaweite Aktion European Alternatives, die sich für ein Europa der gelebten Demokratie, Gleichheit und Kultur abseits von nationalstaatlichem Denken stark macht. In diesem Sinne gilt: Wir müssen die besseren Geschichten erzählen, Europäerinnen und Europäer in den Städten und am Land, ob jung oder alt, dort abholen, wo sie stehen und inklusive Visionen für die Zukunft anbieten.
 
That’s why we want a Europe that connects! #detoxyourspeech (Elisabeth Lechner, 27.8.2018)

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