Berlin/Windhuk – Die bevorstehende Rückgabe von Gebeinen aus Namibia in Berlin stößt bei Historikern auf Kritik. Die Übergabe an eine namibische Regierungsdelegation müsse "im Bundestag stattfinden und von einer offiziellen Entschuldigung für Deutschlands koloniale Unrechtsherrschaft" begleitet werden, sagte der Berliner Historiker Christian Kopp vom NGO-Bündnis "Völkermord verjährt nicht".

Kopp forderte zudem staatliche Entschädigungen an die Hinterbliebenen des Vernichtungskriegs, den deutsche Kolonialtruppen von 1904 bis 1908 im damaligen Deutsch-Südwest-Afrika gegen die Volksgruppen der Herero und Nama führten.

Vorgangsweise "unangemessen"

Derzeit führt eine Delegation unter Leitung der namibischen Kulturministerin Katrina Hanse-Himarwa politische Gespräche in Berlin. Wichtigster Programmpunkt ist nach Angaben des Auswärtigen Amtes die dritte Übergabe menschlicher Gebeine, die in der Kolonialzeit aus Namibia nach Deutschland gebracht wurden. Die Übergabe an die namibische Regierung soll am Mittwoch bei einem Gedenkgottesdienst erfolgen, den die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) organisiert.

Historiker Kopp kritisierte den Rahmen der Übergabe als unangemessen und warf der deutschen Regierung vor, sich durch die Verweigerung von Entschädigungen aus der Verantwortung zu stehlen. "Die Bundesregierung muss den Genozid an den Herero und Nama genauso anerkennen, wie sie andere Völkermorde anerkannt hat", sagte Kopp. "Sie sollte die Opfergruppen – nicht die namibische Regierung – schnellstmöglich und ohne Vorbedingungen dafür um Entschuldigung bitten."

Zehntausende Ermordete

Zwischen 1904 und 1908 waren unter der deutschen Kolonialherrschaft auf dem Gebiet des heutigen Namibia zehntausende Herero und Nama getötet worden. Die Bundesregierung bezeichnet die Verbrechen inzwischen zwar als Völkermord, lehnt aber Reparationszahlungen weiterhin ab.

Die Bundesregierung verhandelt bereits seit einiger Zeit mit der namibischen Regierung über eine Aufarbeitung. Für die von Herero und Nama geforderten Entschädigungen sieht Berlin jedoch bisher keine völkerrechtliche Grundlage.

Vertreter der Herero und Nama haben indes vor einem New Yorker Gericht eine Schadenersatzklage gegen die Bundesregierung eingereicht. Ein Urteil steht noch aus.

Fehlende Anerkennung

Historiker Kopp kritisierte die Verhandlungen auf deutsch-namibischer Regierungsebene als "Farce" und als "intransparent". Deutschland müsse vielmehr die Nachfahren der Opfer als "eigenständigen Verhandlungspartner" anerkennen. "Es gibt keine Herero- oder Namafamilie, in der nicht Urgroßväter und Urgroßmütter getötet, versklavt, vergewaltigt und enteignet wurden", sagte Kopp. "Ohne eine offizielle Anerkennung des Völkermords und Deutschlands Entschuldigung gegenüber den Opfer-Gemeinschaften kann die Vergangenheit nicht vergehen."

Kompliziert sind die Gespräche mit Deutschland auch deswegen, weil die namibische Regierung von der Mehrheitsvolksgruppe der Ovambo geprägt ist. Deshalb sehen die Herero und Nama ihre Interessen in den Verhandlungen nur unzureichend vertreten.

Verschleppte Gebeine

Im Jahr 1904 hatte der damalige deutsche Gouverneur der Kolonie Deutsch-Südwest-Afrika, Lothar von Trotha, die planmäßige Vernichtung des Volksstamms der Herero angeordnet. Mindestens 60.000 Herero wurden daraufhin getötet. Diese hatten es zuvor gewagt, sich in dem heutigen Namibia gegen Landraub und Willkürherrschaft der deutschen Kolonialherren zu erheben.

In den vergangenen Jahren waren bereits mehrfach Überreste aus den zur Kolonialzeit entstandenen Sammlungen der Berliner Charite an die Nachfahren ihrer Volksgruppen in Namibia übergeben worden. Die Schädel waren während der Zeit des Deutschen Kaiserreichs von Forschern zusammengetragen und nach Deutschland gebracht worden. Untersuchungen an ihnen dienten damals auch dazu, rassistische Theorien zu untermauern. (APA, red, 27.8.2018)