Man erblickt nur, was man schon weiß und versteht." Diese angesichts seiner italienischen Reise vor über 200 Jahren von Johann Wolfgang von Goethe formulierte Weisheit lässt sich trefflich auch auf alle Arten des modernen Tourismus anwenden. Im Besonderen aber auf das jüdische Rom. Und genau darauf lenkt Christina Höfferer in ihrem aktuellen Buch den Fokus. Höfferer, die als Journalistin und in Rom verortete Auslandskorrespondentin des ORF längst die sprichwörtliche Italianità verinnerlicht hat, beweist eindrucksvoll, dass die Ewige Stadt nicht nur das Epizentrum der katholischen Kirche ist, sondern auch jede Menge jüdische Wurzeln und Kultur zu bieten hat.

Die in Rom lebende Kulturhistorikerin, Mitglied des Römischen Instituts der Görres-Gesellschaft, einer im Vatikan beheimateten Forschungsinstitution, dekuvriert eloquent in ihren peniblen Recherchen, in ihren minutiösen wie auch charmanten Reportagen als Insiderin, was sonst im Verborgenen bleibt. In ihrem auch literarisch anspruchsvollen, von Informationen überschäumenden "City Guide" führt sie in gleichem Maß durch die Jahrhunderte wie auch durch sämtliche Bezirke der auf sieben Hügeln liegenden Stadt.

Man erfährt von Zeiten einer prosperierenden Gemeinde und von Epochen der Verfolgung, der Ghettoisierung und der Stigmatisierung, von Antijudaismus in der Antike und von Antisemitismus unter den Faschisten.

Man begegnet Intellektuellen, Schriftstellern und Forschern wie Elsa Morante, Paul Celan, Ingeborg Bachmann, Pasolini, Sigmund Freud, Cesare Pavese, Primo Levi, Zolli, Moravia oder Malerba. Höfferer beschreibt die Katakomben von Monteverde, den Schwesternkonvent San Giuseppe, wo Juden versteckt wurden, die Synagoge in der Via Fonteiana, den Garten der Gerechten in der Villa Pamphilj, besucht den heute so friedlich, so pittoresk anmutenden Rosengarten in der Via di Valle Murcia auf dem Aventin, wo einst der jüdische Friedhof war, bis er unter Mussolini einer zu Ehren des "Marsches auf Rom" 1934 geplanten Prachtstraße weichen musste. Die zugesagte Transferierung der Gräber fand nur zum Teil statt.

Neben der Beschreibung derartiger Sakrilegien aber finden sich zahlreiche positive (und überraschende) Spuren jüdischen Lebens. Interessant die vielen Schriften von Sigmund Freud über "sein" Rom wie seine Vergleiche der Giardini der Villa Borghese mit Schönbrunn. Zahlreiche Adressen von Bäckern, Restaurants etc. zeugen von einer Renaissance jüdischen Lebens im heutigen Rom. (Gregor Auenhammer, 28.8.2018)