Der 40-jährige Marjan Šarec hat eine Mitte-links-Minderheitsregierung zusammengebastelt, die von der Linkspartei unterstützt wird.

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Sarajevo/Ljubljana – "Keiner ist ein Supermann", sagte der 40-Jährige ein paar Monate vor der Wahl, und "Wir sind nicht davon besessen, zu gewinnen". Nun ist Marjan Šarec doch Premierminister von Slowenien geworden. Und man kann verstehen, wenn ihm das einiges abverlangt. Denn die Koalition, die er zusammengezimmert hat, besteht aus fünf Parteien. Zusätzlich brauchte er noch die Stimmen der Partei "Die Linke" (Levica), um im Parlament gewählt zu werden.

Die Ministerliste liegt bereits vor. Bis Ende der Woche gibt es ein Hearing im Parlament und die Wahl der Regierung. Einige gelten als eher schwache Kandidaten, wie etwa Justizministerin Andreja Katič oder Wirtschaftsminister Zdravko Počivalšek. Andrej Bertoncelj soll Finanzminister werden – allerdings gibt es Kritik, weil er in der Staatsholding saß. Als guter Experte gilt der neue Gesundheitsminister Samo Fakin, der wichtige notwendige Reformen durchsetzen muss.

Šarec, der ab 2010 Bürgermeister von Kamnik war, ist sich wohl bewusst, dass er mit so einer bunten Koalition kaum den mächtigen Regisseur spielen wird, sondern eher so etwas wie den Flohbändiger. Interessant ist aber, dass der Mann mit dem verschmitzten Lächeln mit 55 von 90 Stimmen gewählt wurde – das bedeutet, dass selbst Leute aus der christlich-konservativen NSi oder der national-konservativen SDS ihm ihre Stimmen gegeben haben müssen. Die Koalitionsbildung ist ihm bisher auch gelungen.

Komplexe Herausforderungen

Die große Frage bleibt aber, ob der bisherige Lokalpolitiker den politischen Spielchen und der Komplexität der Herausforderungen auf der nationalen Ebene gewachsen sein wird. Gerade bei der Gesundheitsreform wird der Druck der Lobbygruppen und Koalitionspartner enorm sein. Der ehemalige Satiriker wird sich damit herumschlagen müssen, alle Interessen unter einen Hut zu bekommen. Betrachtet man die Wünsche der Partner, wenn es um die Aufstockung von Sozialleistungen geht, so wird ihm die Budgeterstellung viel Schweiß kosten.

Šarec selbst stellt sich gern als Macher dar, er ist ernsthaft, wenn man mit ihm spricht. In seinem früheren Leben war er zwar ein Kabarettist, der Politiker aufs Korn nahm, aber das ist ihm heute nicht mehr anzumerken. "Alle Komiker sind im täglichen Leben ernst", pflegt er zu sagen. Humor sei ihm aber schon wichtig. "Menschen, die keinen Sinn für Humor haben, können selten großartige Dinge erreichen."

Šarec besuchte in Ljubljana die Theater- und Filmakademie, die er 2001 abschloss. Dann trat er auch im Staatsfernsehen als Comedian auf. Seiner Heimatstadt blieb er immer tief verbunden. Der Mann mit der kecken Brille, der gerne mit dem Traktor herumfährt, als Kind Lokomotivführer werden wollte und sich für Maschinen interessiert, ist ein ausgezeichneter Stimmenimitator.

Sieg nach knapper Niederlage

Lange war er nur rund um die schöne Kleinstadt Kamnik im Norden Sloweniens bekannt. Doch bei den Präsidentschaftswahlen vergangenen November kam er dann überraschenderweise – mit 47 Prozent – ganz knapp an Amtsinhaber Borut Pahor heran.

Allerdings hat er keine Basis hinter sich – seine Partei ist gerade neu gegründet worden. Anders als sein Vorgänger Miro Cerar hat er auch kaum akademische oder wirtschaftliche Eliten hinter sich. Ein echter Politikwechsel ist mit ihm jedoch nicht zu erwarten. Er muss den Sparkurs der Regierung fortsetzen – schließlich liegt die Verschuldung noch immer bei viel zu hohen 70 Prozent.

Zudem will er aber für mehr Dezentralisierung sorgen. Agenturen und Gremien sollen abgeschafft werden. Wenn es nach ihm geht, sollen analog zu den Diözesen fünf Bundesländer entstehen. Auch das Wahlsystem will er reformieren, ein Vorzugsstimmensystem einführen und die Zahl der Wahlbezirke verringern.

Lesung in der Kirche

Šarec beruft sich auf die katholische Soziallehre – am Sonntag liest er die Lesung in der Kirche. Aber er ist kein Konservativer, sondern ein Sozialliberaler, der für "Buntheit" eintritt. Wie es sich in Slowenien ziemt, werden von ihm auch die Partisanen geehrt.

Außenpolitisch hat er noch gar keine Erfahrung – deshalb ist es klug, dass er Berater um sich schart, die ihm bei EU-Themen beistehen. Das Außenamt soll ohnehin der erfahrene Ex-Premier Miro Cerar führen. (Adelheid Wölfl, 28.8.2018)