Mit "gelebter Hochzeits- oder auch Tanzdiplomatie" verteidigte Vizekanzler Heinz-Christian Strache im ORF-Sommergespräch die Hochzeit von Außenministerin Karin Kneissl im Beisein von Wladimir Putin. Man habe die Wertschätzung eines russischen Präsidenten erlebt, so Strache. Anders deuten Absolventinnen, Absolventen und Studierende der Diplomatischen Akademie Wien die Teilnahme Putins. In einem offenen Brief äußern sie ihren Unmut über die Ereignisse in Gamlitz, die auch ihren Niederschlag in der internationalen Presse fanden. Die Einladung sei ein "diplomatischen Fauxpas", die frühere Professorin an der Diplomatischen Akademie solle nicht mehr zu Vorlesungen oder anderen Veranstaltungen eingeladen werden. Im Folgenden der offene Brief im Wortlaut, der sich unter anderem an Botschafter Emil Brix, den Direktor der Diplomatischen Akademie, richtet:

"Obwohl wir wissen, dass es eine private Einladung war, der Präsident Putin gefolgt ist, sollte Ministerin Kneissl mit ihrer umfassenden diplomatischen Erfahrung wissen, dass die Teilnahme Putins als auch Ministerin Kneissls unterwürfige Geste als eindeutiges, politisches Statement gesehen werden würde. Europa hat es als solches verstanden, und wir haben es als solches verstanden. Leider steht dieser Umstand nicht mit den Werten unserer angesehenen Akademie im Einklang, etwas das weder wir, als Stakeholder der Akademie, noch Sie als Leitung, Fakultät und Studienkommission ignorieren sollten.

Österreichs Außenministerin geht nach dem Tanz mit Russlands Präsidenten in die Knie.
Foto: screenshot/ RT

Diplomatisch gefährlicher Weg

Unsere Studien an der Diplomatischen Akademie vermittelten uns Grundwerte, in deren Mittelpunkt die Europäische und Internationale Kooperation steht. Wir haben gelernt, andere Perspektiven wertzuschätzen und davon zu lernen, einander zu respektieren und uns Sprachen und Kulturen anzueignen. Das Ziel, humanitäre Werte, Menschenrechte und Europäische Ideen, wie die Solidarität seiner Bürger, zu stärken, motivierte uns. Des Weiteren lehrte man uns, an gewisse unveräußerliche Rechte zu glauben: Die Gleichstellung und Würde von allen Menschen, die Existenz eines Rechtsstaats, das Recht auf Meinungsfreiheit und einer freien Presse, das Streben von Gesellschaften, ein freies und demokratisches Leben zu führen.

All diese Werte sind keine Realität in Präsident Putins Russland, sondern schiere Fiktion. Darüber hinaus hat seine Regierung die Bereitschaft gezeigt, sowohl die Europäische Union als auch die einzelnen demokratischen Länder Europas zu untergraben und auszuhöhlen.

In diesem Zusammenhang stellt das demonstrierte Näheverhältnis zwischen Ministerin Kneissl und Präsident Putin nicht nur eine Abwanderung von der historischen Neutralität Österreichs dar, sondern positioniert das Land auch auf einem diplomatisch gefährlichen Weg. Weiters zieht dieser Umstand für Österreich, das zurzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, das Misstrauen von vielen europäischen Regierung und deren Bürgern nach sich.

Österreichische Kunst der Diplomatie

Daraus folgernd scheint es so, als ob Österreich bist zu einem gewissen Grad eine autokratische und imperialistische Staatsführung schönredet.

Dies leitet sich für uns auch durch einen Blick auf die Geschichte ab: Verglichen mit der traditionell sehr angesehenen Österreichischen Kunst der Diplomatie, zu der Persönlichkeiten wie Leopold Figl und Erhard Busek zählen, stellt Ministerin Kneissls Einladung einen diplomatischen Fauxpas dar.

Im Angesicht dieser Fakten möchten wir Sie bitten, die Diplomatische Akademie von jeglicher direkter oder indirekter Assoziation mit der Haltung, die Ministern Kneissl eingenommen hat, zu schützen. Wie kann die Diplomatische Akademie ihren Status als internationale Trainingseinrichtung für angehende Diplomaten und Global Citizens erhalten, wenn so eine Assoziation weiterhin besteht?

Mit diesem Brief möchten wir Sie dazu auffordern, die Ministerin von nun an, bis ihr Mandat endet, nicht mehr für Vorlesungen oder andere Veranstaltungen einzuladen, die von der Diplomatischen Akademie organisiert werden oder dort stattfinden. (28.8.2018)