Präsident Emmanuel Macron (links) erleidet mit dem Rücktritt seines Umweltministers Nicolas Hulot einen schweren Rückschlag. Die Regierung verliert damit mehr und mehr ihr politisches Gleichgewicht.

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Die Pariser Medien sprechen von einem "Coup de tonnerre", einem Donnerschlag. Umweltminister Nicolas Hulot kündigte am Dienstagmorgen in einem Radiointerview an, sein Amt mit sofortiger Wirkung niederzulegen. Es sei seine schwierigste berufliche Entscheidung gewesen. "Aber ich will mich nicht mehr belügen", sagte der ehemalige Star einer beliebten Umweltsendung des Privatfernsehsenders TF1. "Haben wir begonnen, die Treibhausgase zu reduzieren? Nein. Haben wir begonnen, die Pestizide zu verringern? Nein. Ich kann mich nicht mehr der Illusion hingeben, dass meine Präsenz in der Regierung einen Fortschritt bei all diesen Themen bedeutet."

In seltener Offenheit fügte der 63-Jährige, spät zur Politik gekommene TV-Produzent generell an: "Angesichts der Anhäufung all der Enttäuschungen glaube ich nicht mehr daran."

Als konkreten Anlass für den Rücktritt nannte Hulot eine Sitzung im Elysée-Palast vom Montag zum Thema Jagd. Der Umweltminister musste dabei hinnehmen, dass die Gebühren für den Bezug des Jagdscheins halbiert und einige geschützte Vogelarten zum Abschuss freigegeben wurden. Das gehe auch auf die unangekündigte Anwesenheit eines Jägerlobbyisten zurück, erklärte Hulot. Das sei "symptomatisch" für die Pariser Entscheidungsprozesse in Sachen Ökologie.

"Angsthase erster Klasse"

Das Fass zum Überlaufen gebracht hatte möglicherweise schon Mitte August die Tierschützerin Brigitte Bardot. Der 83-jährige Ex-Filmstar hatte Hulot als "Angsthasen erster Klasse" bezeichnet und ihm vorgehalten, er nütze "nichts". Der emotional reagierende Minister, der nicht zur Selbstkritik neigt, fühlte sich dadurch offenbar schwer getroffen. Insofern war sein Rücktritt am Dienstag nur noch eine halbe Überraschung.

Umweltschützer begrüßten seinen Rücktritt übereinstimmend. Die Ökovereinigung "Robin des Bois" (Robin Hood) bedankte sich mit den Worten: "Merci, Nicolas." Der frühere grüne Umweltminister Yannick Jadot erklärte, Hulot habe mit seinem Schritt "natürlich recht gehabt", denn er habe einfach zu viele Kröten schlucken müssen. Hulots einziger, relativ bescheidener Erfolg seit seinem Amtsantritt im Juni 2017 war der Projektstopp des Regionalflughafens Notre-Dame-des-Landes in Westfrankreich. Ansonsten änderte Hulot nichts am Lavieren Frankreichs beim Verbot des Pestizids Glyphosat.

Als sein größter Misserfolg gilt die Energiepolitik. Emmanuel Macron folgt nur rhetorisch dem Versprechen seines Vorgängers François Hollande, den Atomanteil an der Stromproduktion langfristig auf 50 Prozent zu senken. Dazu müssten 13 der 58 französischen Atomreaktoren abgeschaltet werden. Macron hat aber bisher nicht einmal die Stilllegung des ältesten Meilers Fessenheim beschlossen.

Kritiker sehen "Beginn der Auflösung der Macronie"

Der sozialistische Parteichef Olivier Faure interpretierte Hulots Rücktritt als das Scheitern von Macrons "widersprüchlicher" Umweltpolitik und meinte: "Die Masken fallen." Linkenchef Jean-Luc Mélenchon ging noch weiter und deutete Hulots Entscheidung als "Beginn der Auflösung der Macronie".

Ein Rückschlag ist sie auf jeden Fall für den Präsidenten, der am Dienstag auf einer Europatournee in Dänemark weilte und über Hulots Ankündigung offenbar nicht im Bild war. Ein Regierungssprecher nannte Hulots Vorgehen, die Radiohörer vor dem Präsidenten zu informieren, "eine Unhöflichkeit". Hulot übte in der Regierung die seltene Funktion eines Staatsministers aus und kam damit protokollarisch gleich hinter dem Premierminister. Das war aber großteils eine symbolische Position, wie die stiefmütterliche Behandlung ökologischer Fragen durch Macron zeigte. Insofern wiegt Hulots Schritt nicht sehr schwer.

Trotzdem ist er für Macron gravierend. Er macht offensichtlich, dass der Staatschef keine umweltpolitische Strategie hat und sich, wie der konservative Ex-Minister Eric Woerth sagte, "schlicht nicht für ökologische Fragen interessiert". Macrons Regierung verliert damit mehr und mehr ihr politisches Gleichgewicht. Der sehr mediale Umweltminister verkörperte wie wenige Minister den linken Flügel der Regierung, die bisher vor allem durch wirtschaftsliberale Reformen aufgefallen ist. Seine Präsenz wäre für Macron gerade jetzt, da er pensions- und sozialpolitisch als "Präsident der Reichen" unter Beschuss gerät, unerlässlich gewesen. Mit Hulot verliert er zunehmend sein Image eines fortschrittlichen Mittepolitikers zwischen den Fronten. (Stefan Brändle aus Paris, 28.8.2018)