Demonstranten der rechten Szene zünden Pyrotechnik und schwenken Deutschlandfahnen.

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Die ersten Ausschreitungen in Chemnitz – jene vom Sonntag – waren schlimm. Die zweiten tags darauf desaströs. Obwohl Demonstrationen angekündigt waren, bekam die Polizei die Lage nicht in den Griff und musste anschließend Fehleinschätzungen einräumen.

Menschen wurden verletzt, der Hitlergruß war zu sehen. Und das alles, weil viele Selbstjustiz mittlerweile für eine praktikable Lösung halten – nach dem ebenso irrigen wie brandgefährlichen Motto: Wenn der Staat uns nicht schützen kann, dann tun wir es selbst.

Wenn dies gelingt, wenn Polizisten hilflos danebenstehen, dann hat der Rechtsstaat abgedankt, dem Faustrecht sind Tür und Tor geöffnet. Die Bilder aus Chemnitz waren erschreckend, doch viel schlimmer ist ja ein Gedanke, der nicht mehr zur Seite zu wischen ist: derjenige nämlich, dass Chemnitz überall sein könnte. Diesmal gab es einen lokalen Bezug, aber viele ahnen: Man kann sich überall schnell zusammenrotten, um loszuschlagen. Solche Szenen könnten sich, wenn es einen Auslöser gibt, auch anderswo in Deutschland abspielen.

Die Politik in ganz Deutschland muss Chemnitz als Warnschuss begreifen. Es braucht Gegenstrategien. Und es wäre gut, würde man diese mindestens mit jener Verve und Vehemenz diskutieren, die Teile der Politik aufbringen, wenn es darum geht, wie schnell abgelehnte Asylwerber Deutschland wieder verlassen müssen. (Birgit Baumann, 28.8.2018)