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Ein Teil der Ferienhäuser in Mati soll ohne Genehmigung und Infrastruktur im Pinienwald nahe dem Ufer errichtet worden sein. Der Brand am 23. Juli verschlang den Ort in weniger als einer Stunde.

Foto: AP / Petros Giannakouris

Motorsägen röhren nun den ganzen Tag in Mati, dem Ferienort an der Küste, 25 Kilometer östlich von Athen, wo im Vormonat 96 Menschen bei dem schlimmsten Waldbrand seit Jahrzehnten umgekommen sind. Arbeiter transportieren verkohlte Pinienbäume aus der zerstörten Feriensiedlung ab. Doch anderswo in Attika, der Provinz um die Hauptstadt Athen, sollen ab September die Bulldozer losrollen und illegal errichtete Häuser abreißen, wie sie auch in Mati gebaut worden waren. 3200 Gebäude in Risikozonen hat die griechische Regierung ausgemacht. Waldbrände könnten auch dort aufgrund der ungeplanten Siedlungen zu enormen Opfern führen, so argumentiert sie. Doch für Griechenland ist das so etwas wie eine Kulturrevolution.

Neuwahlen zeichnen sich ab, Regierungschef Alexis Tsipras bereitete am Dienstag eine Kabinettsumbildung vor. In solchen Zeiten, so merken selbst die Gegner des linken Premiers an, hatten Regierungspolitiker üblicherweise gern nachträglich Baugenehmigungen erteilen lassen, um sich Wählerstimmen zu sichern. Tsipras macht nun genau das Gegenteil.

Doch der Regierungschef steht wegen der Brandkatastrophe von Mati politisch unter Druck. Unablässig attackiert ihn die konservative Opposition. Unvermögen und fahrlässige Versäumnisse am Tag der großen Waldbrände wirft sie ihm vor. Die Athener Staatsanwaltschaft will diese Woche ihre Vorermittlungen abschließen. Mehr als 40 Vertreter von Polizei, Feuerwehr und Stadtverwaltungen im Katastrophengebiet hat sie einvernommen. Gegen manche dieser Zeugen könnte nun Klage erhoben werden.

Personelle Konsequenzen

Tsipras selbst schien in den Tagen nach dem 23. Juli tatsächlich wie gelähmt und trat kaum in der Öffentlichkeit auf. Mittlerweile zog er personelle Konsequenzen aus der Brandkatastrophe. Die Chefs der griechischen Polizei und der Feuerwehr sind durch ihre Stellvertreter ersetzt worden. Der Minister für Bürgerschutz, der ehemalige Armeegeneral Nikos Toskas, trat zurück, weil er die Erinnerung an Mati nicht mehr ertrug, wie er sagte.

Auch der Generalsekretär für Bürgerschutz in diesem Ministerium wurde ausgetauscht. Yiannis Tafyllis, der neue Mann, soll nun erheblich größere Befugnisse zur Koordinierung von Katastropheneinsätzen erhalten. Angeblich hatte die Feuerwehrleitung die Polizei nicht über den Waldbrand informiert, der auf Mati zugerast war, einen von drei Großbränden an jenem Tag.

Internationale Untersuchung

Um die Tragödie von Mati aus der innenpolitischen Arena zu ziehen, beauftragte Tsipras einen deutschen Experten mit der Leitung einer Untersuchungskommission. Der "Feuerökologe" Johann Goldammer vom Max-Planck-Institut soll mit seinem Team die Ursachen des Brandes in Mati klären. Goldammer, der eine Forschungsgruppe an der Forstwissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg leitet, soll aber auch Vorschläge für eine Reform der Stadtplanung in Risikogebieten in Griechenland vorlegen. Kritik an der Regierung muss Tsipras von dieser Untersuchungskommission nicht erwarten. Für Goldammer stehen die Folgen des Klimawandels und die Bausünden der Vergangenheit in Griechenland im Vordergrund.

Insgesamt 132 Millionen Euro hat die Regierung für Reparaturen oder den Neubau zerstörter Häuser in Mati und der Umgebung eingeplant. 5000 Euro Zuschuss erhalten die Opfer für die Wiederanschaffung von Haushaltsgeräten oder Möbeln. Mehr als 4000 Anträge wurden bisher gestellt. (Markus Bernath aus Athen, 29.8.2018)