Im April musste CFC-Präsident Andreas Georgi die Insolvenz des Vereins bekanntgeben.

Foto: imago/Picture Point/Kummer

Screenshot: mittlerweile gelöschtes Facebook-Posting von "Kaotic Chemnitz".

Facebook-Screenshot: Logo der "NS Boys".

Solidarität der Chemnitz-Kurve mit dem englischen Rechtsextremisten Tommy Robinson.

Foto: imago/foto2press/ Leifer

Wien/Chemnitz – Der Chemnitzer FC geht den Weg vieler Fußballklubs aus der ehemaligen DDR. Er führt abwärts. Im April erklärten sich die Sachsen für zahlungsunfähig, dem Insolvenzantrag folgten Punkteabzug und Abstieg aus der dritten Liga. In der laufenden Saison findet sich der Meister von 1967 und Uefa-Cup-Achtelfinalist von 1989/90 in der Regionalliga Nordost wieder.

"Der Verein hat Verbindlichkeiten aufgebaut, die vom Vereinsvermögen nicht gedeckt sind", gab der CFC bekannt. Man appellierte "an alle Mitglieder, Fans und Unterstützer, den Verein nicht fallenzulassen, sondern gemeinsam für einen erfolgreichen Neustart zu kämpfen". Schulden in Höhe von 2,5 Millionen Euro sowie ein Altkredit über 1,5 Millionen besiegelten das Schicksal des Vereins, aus dessen Nachwuchsabteilung einst Michael Ballack hervorging, der langjährige Kapitän der deutschen Nationalmannschaft.

Hooligans mobilisieren

Gegründet worden war der CFC 1966 als FC Karl-Marx-Stadt, welcher seinerseits nach einer Reihe von Umstrukturierungen aus der sozialistischen Betriebssportgemeinschaft Fewa Chemnitz hervorgegangen war. Von 1963 bis zum Ende der DDR war Chemnitz/Karl-Marx-Stadt mit Ausnahme der Saison 1970/71 durchgängig in der obersten Spielklasse des Landes, der Oberliga, vertreten.

Am 26. August nun fand sich der sportlich in die Bedeutungslosigkeit versunkene CFC plötzlich in den internationalen Schlagzeilen wieder. In Chemnitz war ein Deutscher durch Messerstiche getötet worden, ein Afghane und ein Iraker wurden als Tatverdächtige verhaftet. In der Folge mobilisierte die rechtsextreme CFC-Fangruppe "Kaotic Chemnitz" bis zu 1.000 Menschen, darunter zahlreiche dem Fußballklub zurechenbare Hooligans und Ultras. Versammlungsort war paradoxerweise das Karl-Marx-Denkmal im Zentrum von Chemnitz. Bei ihrem Zug durch die Stadt kam es zu Gewalttätigkeiten gegen ausländisch aussehende Personen und Polizeibeamte. Die Parole hieß: "Lasst uns zusammen zeigen wer in der Stadt das sagen hat! (sic)"

Böcke als Gärtner

Extrem rechte Gruppierungen im Umfeld des CFC sind kein neues Phänomen, ihre Geschichte reicht zumindest bis in die 1990er-Jahre zurück. Damals machten die wenig zweideutig benamsten "Hooligans Nazis Rassisten" (HooNaRa) von sich reden. Eines ihrer bevorzugten Tätigkeitsfelder war das sogenannte "Ackermatch", bei welchem sich prügelwütige Jungmänner zum gemeinschaftlichen Dreschwerk verabreden. Es mutet zumindest naiv an, dass der CFC bis 2009 dem Security-Unternehmen des HooNaRa-Gründers den Ordnerdienst in seinem salopp "Fischerwiese" genannten Stadion überantwortete.

Gegen die HooNaRa verhängte der Verein 2006 ein Zutrittsverbot, ein Jahr später wurde die Gruppierung offiziell aufgelöst. Ehemalige Mitglieder sollen jedoch bei den Zusammenrottungen vom Wochenende mit von der Partie gewesen sein. Zu Vorfällen mit Ordnern, die rechtsextreme Kleidung tragen, kommt es aber bis heute, sagt Fanforscher und Autor Robert Claus im Gespräch mit dem STANDARD. Es sei eine Herausforderung, in der Region eine Sicherheitsfirma zu finden, die "politisch nicht nach rechts tendiert oder unterwandert ist". Claus spricht von einem "Strukturproblem".

Ausgeschlossen und doch dabei

Ebenfalls einschlägig berüchtigt sind die an HooNaRa orientierten "NS Boys". Ursprünglich als Nachwuchsabteilung der offiziell unpolitischen "Ultras Chemnitz 99" etabliert, wuchs die "New Society" (ein Schelm, wer die Abkürzung anders interpretiert) den Altvorderen bald über den Kopf, nahm an rechten Aufmärschen teil. Von den Ultras daraufhin eliminiert, gründete sie sich flugs neu. Die NS Boys sind bis heute aktiv, ihr Logo ist das Konterfei eines Hitlerjungen, übernommen von einem Propagandaplakat aus dem Jahr 1933. Auf ihrer Facebook-Seite sind wöchentlich Spielberichte und Anekdoten von Auswärtsfahrten zu lesen. Nach dem Match in Babelsberg hieß es etwa am 7. August: "Wenigsten bekam man noch eine angemessene Besichtigungstour in den Dienstfahrzeugen des Staates durch das sehr schicke Potsdam."

Ebenfalls seit langem mit einem Stadionverbot belegt, sollen Kameraden der NS Boys 2017 an den Ausschreitungen beim Spiel von Energie Cottbus im Karl-Liebknecht-Stadion des SV Babelsberg beteiligt gewesen sein. Im Block der seit langem mit CFC-Anhängern befreundeten Cottbuser wurden antisemitische Parolen skandiert. Die organisierten Fans der Babelsberger hingegen gelten aufgrund ihrer Wurzeln in der linksalternativen Szene als der Feind. In das daraufhin gegen Energie eingeleitete Verfahren musste der Deutsche Fußball-Bund (DFB) gleich zweimal eingreifen, da der eigentlich zuständige Nordostdeutsche Fußballverband (NOFV) die rassistischen Gesänge in seinem Urteil ignoriert hatte.

Funktionierende Netzwerke

Claus schätzt den harten Kern von NS Boys und Kaotics auf zusammen höchstens 30 Mann. Das Potenzial rechtsextremer Hooligans in der Chemnitz-Kurve summiere sich aber durchaus auf bis zu 200. Die Fußball-Fanszene spiele für den subkulturellen Rechtsextremismus in der Region eine große Rolle. Mehrere Generationen an rechten Hooligans und Neonazis hätten dieses Milieu mittlerweile durchlaufen. "Die kennen sich alle, ihre Netzwerke funktionieren. Deswegen gelingt auch eine so schnelle Mobilisierung", sagt Claus. Die Besonderheit in Chemnitz ist die Existenz verschiedenster Strömungen der extremen Rechten und des Rechtspopulismus auf engstem Raum.

Der Chemnitzer FC habe auf problematische Entwicklungen in seinem Umfeld immer erst dann reagiert, wenn es öffentlichen Druck gab. Im Bereich der Prävention sei sehr wenig getan worden, jedenfalls nichts Nachhaltiges. Es sei auch nicht gelungen, rechtsextreme Spruchbänder aus dem Stadion zu verbannen. Erst im letzten Jahr habe es eine Grußbotschaft an eine Nazi-Band mit Sympathien für die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) gegeben.

Angesichts der aktuellen Vorfälle hat der Berliner AK mittlerweile Maßnahmen für sein Auswärtsspiel in Chemnitz am 15. September gefordert. Sollten DFB und NOFV nicht mit einem "tragbaren Sicherheitskonzept" reagieren, erwägt der deutsch-türkische Klub, zu der Partie nicht anzutreten. Man sei "alarmiert und in größter Sorge".

Indes wurde von der Deutschen Fußball-Liga das für Samstag geplante Zweitligaspiel zwischen Dynamo Dresden und dem Hamburger SV auf Drängen der sächsischen Polizei abgesagt, da sämtliche Polizeieinheiten für die für Samstag geplanten Demonstrationen in Chemnitz benötigt werden. (Michael Robausch, 31.8.2018)