Bei Android ist längst nicht alles offen.

Grafik: Google

Einen bunten Reigen an Neuerungen hat Google in die aktuellste Generation seines Betriebssystems gepackt: Android 9 bringt zahlreiche Verbesserungen – von der Softwarebasis bis zum User Interface. Doch hinter dieser schillernden Oberfläche schlummert auch ein schmutziges Geheimnis: Googles Android-Bestrebungen entfernen sich immer weiter vom ursprünglichen Open-Source-Gedanken.

Exklusivität

Einige der prominentesten Neuerungen von Android 9 "Pie" sind nicht im Quellcode verfügbar. Sie sollen vorerst Google-Geräten oder jenen mit "Android One" vorbehalten bleiben. So ist mit der neuen Version etwa der Task Switcher in den Pixel Launcher umgezogen – und damit in eine proprietäre App von Google. Ähnlich verhält es sich bei der neuen Gestennavigation sowie den "Digital Wellbeing"-Funktionen. Und auch den neuen Look namens "Material Theme" wird man im Android Open Source Project (AOSP) vergeblich suchen.

Neu ist dieser Trend natürlich nicht: Google hat seinen Geräten in der Vergangenheit immer wieder exklusive Features spendiert, die dann erst später für andere Smartphones nachgereicht wurden – wenn überhaupt. Mit "Pie" erreicht dies ein bisher unbekanntes Ausmaß, und zwar eines, das sich nicht nur an der Oberfläche bewegt. Setzen doch zahlreiche der neuen Funktionen auf Googles Fähigkeiten im Bereich Maschinenlernen. Die solchen Features zugrunde liegenden, vortrainierten KI-Modelle sind dabei typischerweise aber nicht frei verfügbar. Das nicht zuletzt auch, weil Google diese natürlich über seiner Server laufend aktualisiert. Dabei sprechen wir nicht nur von App-Vorschlägen oder ähnlichen Gimmicks, auch so zentrale Verbesserungen wie die smarten Akkuoptimierungen, die Android 9 einführt, setzen auf KI-Modelle. Google hat zwar in diesem Fall angekündigt, dass man die entsprechenden Modelle anderen Herstellern zur Verfügung stellen will – in welchem Ausmaß und unter welchen Auflagen das erfolgt, verrät man dabei aber nicht.

Vorgeschichte

Klar ist aber natürlich auch: Komplett Open Source war Android eigentlich nie. Schon in frühen Jahren wurde mit den Google Play Services ein Infrastrukturdienst eingeführt, der nicht im Quellcode verfügbar ist. Und auch viele Google Apps waren von Anfang an keine freie Software. Doch während Google all dies noch mit einer gewissen Logik argumentieren konnte – immerhin handelt es sich dabei um an proprietäre Google-Services gebundenen Software -, vernimmt man nun ganz andere Töne von dem Softwarehersteller. Man wolle künftig die eigenen Visionen rund um Android stärker forcieren, ließ Google zuletzt mehrfach verlautbaren, was offenbar auch heißt, sie nicht mehr frei verfügbar zu machen.

Druck aufbauen

Das mag zunächst paradox klingen, folgt aber durchaus einer gewissen Logik. Indem sich Google eine zunehmende Zahl an Funktionen vorbehält, erhöht man den Druck auf die Hersteller, den Vorgaben zu folgen. Schließlich kann sich nicht jeder leisten, all diese Entwicklungen von Google nachzubilden, was auf Dauer aber notwendig sein wird, um konkurrenzfähig zu bleiben. Gerade im Bereich Maschinenlernen hat Google in den letzten Jahren ein massives Know-How angesammelt, mit dem vor allem kleine Hersteller unmöglich mithalten können. Also werden sich hier bald einige fragen, ob es nicht schlauer ist, gleich auf "Android One" zu wechseln. Im Rahmen dieses Programms schnürt Google ein weitgehend unverändertes Android. Und zwar eines, in dessen Rahmen die Partner auch Zugriff auf einen bedeutenden Teil all diese erweiterten Funktionen bekommt. So sind etwa die Digital Wellbeing-Funktionen bereits für Android One angekündigt, und einige Android-One-Anbieter experimentieren schon mit der Gestensteuerung und dem neuen Task Switcher. Bevorzugte Plattform bleibt aber trotzdem Googles eigene Pixel-Serie, die man nicht zuletzt über solche exklusiven Features verkaufen will.

"Open Source"

Aus einer strategischen Sicht ist all das, was Google da gerade tut, also durchaus nachvollziehbar. Aus einer Open-Source-Perspektive ist die aktuelle Entwicklung aber alles andere als erfreulich. Wenn dieser Trend anhält – und es deutet alles darauf hin – wird sich der freigegeben Android-Code bald schon wirklich nur mehr auf den absoluten Kern des Betriebssystems beschränken. Von der anfänglich beschworenen Offenheit von Android wäre dann nur mehr wenig übrig. (Andreas Proschofsky, 25.11.2018)