Kämpfen gegen das Böse: John Krasinski als Jack Ryan (links) und Wendell Pierce in "Jack Ryan". Ab Freitag auf Amazon Prime.

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Erforscht Jugendkultur: Wissenschafter Philipp Ikrath.

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Wien – Das Fernsehen kennt Helden zuhauf. Sie schmeißen sich als Anwälte für ihre Klienten ins Zeug, sie retten in zehn- und mehrstündigen Operationen Menschenleben, sie treffen in diversen Ämtern Entscheidungen von großer Tragweite, sie geraten in heikle Situationen, aus denen sie sich nur unter Einsatz ihrer körperlichen und geistigen Kräfte retten können. Sie haben immer einen Plan, wissen stets, was zu tun ist, verfügen über hervorragende Kenntnisse in Körperverteidigung, sind mit allen Arten von Schusswaffen vertraut. Sie sind ernst und verantwortungsvoll, jung und stark, schön, meistens weiß, männlich und am Ende immer erfolgreich – aber nein, leicht haben sie es wirklich nicht.

Retro-Flash

Nehmen wir Jack Ryan, Held der gleichnamigen Amazon-Serie, die den Romanen Tom Clancys folgt und ab 31. August abrufbar ist. Jack Ryan ist Analyst der CIA und deckt vom Schreibtisch aus eine teuflische Verschwörung des IS auf. In den nächsten Folgen arbeitet er sich vom Schreibtischtäter zum Lebensretter hoch, es geht um die USA, um die Welt, ums Universum, und ja, Jack Ryan (John Krasinski) sieht super aus.

Philipp Ikrath hat angesichts solcher Heldenhaftigkeit einen "richtigen Retro-Flash", sagt er. Der Wissenschafter vom Institut für Jugendforschung fühlt sich zurückversetzt in die 1980er- und 1990er-Jahre, als damals Filmhelden wie Sylvester Stallone, Bruce Willis und Arnold Schwarzenegger für das Gute in der Welt kämpften.

Klare Rollenverteilung

Wie damals sieht Ikrath bei Jack Ryan eine klare Rollenverteilung zwischen Gut und Böse: "Die Welt ist sehr einfach und simpel strukturiert."

Ein Zeichen der Zeit, wonach es in einer Welt mit steigenden Bedrohungsszenarien wieder mehr supersaubere Helden gibt? Ikrath kann sich vorstellen, "dass "aufgrund des medialen Umfelds die Lust auf Heldentum wieder zunimmt." Jack Ryan grätscht in die Welle der Superheldenrenaissance, die vom Streamingkonkurrenten Netflix mit Marvel-Figuren wie Daredevil, The Punisher, Iron Fist maßgeblich vorangetrieben wurde.

Im Unterschied zu diesen Helden, die mit eigenen Schwachstellen auf Brüche der Gesellschaft deuten und Möglichkeiten, sich darüber hinwegzusetzen, verfügt Jack Ryan über keine Superkraft. Er ist kraft seiner eigenen Fähigkeiten imstande, die Menschheit zu retten – und wirkt dabei real.

Das Bild vom Heilsbringer entspricht der Zeit, sagt Ikrath: "Man sagt in der Soziologie, dass wir in einer postheroischen Gesellschaft leben, wo den Einzelnen kein Heldentum mehr abverlangt wird." Daraus folgt eine ersatzweise Suche nach Helden, die man anderswo beobachten könne, etwa "im Rechtspopulismus, wo sich die Proponenten immer auch als heldenhafte Tabubrecher inszenieren. Das funktioniert sehr einfach in einer Gesellschaft, in der den Leuten kein Heldentum mehr abverlangt wird." Die Rückkehr in einfachere Strukturen sei mittlerweile systemimmanent.

Handeln statt reden

Studienergebnisse würden zeigen, dass Jugendliche von Politikern genau solche Eigenschaften wünschen, die von den Jack Ryans vorgegeben würden. Ikrath: "Leute, die nicht nur viel reden, sondern die handeln, die sich durchsetzen können, die eine klare Vorstellung davon haben, was richtig und was falsch ist."

In Zusammenhang mit dem vermehrten Zulauf zu eskapistischen Angeboten steht laut Ikrath eine Form der Angstbewältigungsstrategie: "Die Jugend fürchtet sich schon."

Nach außen, in sozialen Medien, sei "alles eitel Sonnenschein", aber bei näherem Nachfragen kämen große Ängste zutage. Die selbstbewussten Jugendlichen von heute sieht Ikrath "irgendwann auf der Couch von Therapeuten" liegen und sich "die Seele aus dem Leib" weinen.

Hilft dann ein Held wie Jack Ryan? Immerhin in der Vorgabe einer Möglichkeit: "Er ist nicht Opfer seiner Umstände, sondern nimmt das Heft in die Hand. Er ist handlungsfähig, durchsetzungsfähig und kann Dinge verändern." Seine Karrierechancen erhöhen sich dadurch entscheidend. In Tom Clancys Büchern arbeitete sich Jack Ryan immerhin bis zum US-Präsidenten hoch. Und zwar zu einem guten. (Doris Priesching, 30.8.2018)