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Yahoo scant Nutzer-Mails auf Angebote und Produkte, um gezielte Werbung zu schalten.

Foto: AP

Yahoo und AOL, die beide mittlerweile zu Oath, einer Tochterfirma des US-Telekomkonzerns Verizon gehören, sehen sich in einem Bericht des Wall Street Journal mit schweren Vorwürfen konfrontiert. Nach Angaben in einem Bericht der Zeitung, scannen die beiden Firmen E-Mails ihrer Nutzer, um die daraus gewonnenen Daten an Werbefirmen zu verkaufen. Alleine Yahoo Mail hat mehr als 200 Millionen User.

Konkret soll ein Algorithmus die Nachrichten nach Produkten durchforsten, die für Kaufinteresse sorgen könnten. Es handelt sich nicht um eine neue Praxis, sondern soll bei Yahoo bereits seit über einem Jahrzehnt betrieben werden und immer weiter ausgeweitet worden sein, erklärt ein Insider.

Algorithmus sucht "kommerzielle" Mails

Oath-Vizepräsident der Sparte für Datenverarbeitung erklärt, dass das Auswerten von Mails zur effektivsten Methode geworden ist, um die "Zielgenauigkeit" von Werbung zu verbessern. Gescannt würden jedoch nur "kommerzielle E-Mails" – also etwa Empfehlungen von Online-Händlern, Bestellbestätigungen von Shops oder Flugbuchungen.

Identifiziert werden die Mails über den Abgleich mit einer Datenbank häufig verschickter "kommerzieller Mails". Daraus schließt der Algorithmus schließlich auf die Vorlieben des Nutzers. Entsprechend wird die Werbung, die man beim Aufruf der Mailbox, aber auch auf anderen Seiten im Netz sieht, ausgewählt. Das passiert nicht nur über den eigenen Werbedienst, sondern auch über andere Anzeigenetzwerke.

"Investoren" und "Vielreisende"

Wer etwa Bestätigungen von Transaktionen von Börsenportalen bekommt, wird als "Investor" eingestuft und sieht verstärkt Anzeigen von Finanzdienstleistern. Bekommt man häufig Buchungsbestätigungen von Airlines, gilt man als "Vielreisender". Daten, die eine persönliche Identifikation des Nutzers zulassen, werden laut dem Unternehmen vor der Weitergabe entfernt.

Eine ähnliche Praxis hat Google ebenfalls lange Betrieben, dort wurden Mails zwecks zielgerichteter Werbung nach Schlüsselbegriffen gescannt. Diese Praxis hat der IT-Riese jedoch im vergangenen Jahr beendet und betreibt seitdem nach eigenen Angaben mehr keinerlei Auswertung von Gmail-Posteingängen mehr. Microsoft erklärt, niemals Nutzer-Mails für Werbezwecke analysiert zu haben.

Auch private Nachrichten versehentlich erfasst

Oaths System ist darauf ausgelegt, private Nachrichten zu ignorieren. Doch das hat in der Vergangenheit nicht immer geklappt. So wurden etwa Einladungen zu indischen Hochzeiten versehentlich als "kommerziell" eingestuft. Laut Sharp sei dies geschehen, weil sie aufgrund der hohen Anzahl der Gäste als "Massenmail" angesehen wurden.

Ein Fehler, der potenziell schwerwiegende Folgen für die Privatsphäre haben kann. Denn in den Privacy-Erklärungen vermerkt Oath, dass Teile von Mails auch von menschlichen Angestellten zum Zwecke der Verbesserung des Algorithmus gesichtet werden können. Dies geschieht nach Angabe von Sharp eben auch, um derlei Einstufungsprobleme auszumerzen – unter anderem sei so auch der Fehler bei den Hochzeitseinladungen entdeckt worden.

Die erhobenen Daten nutzt man aber auch, um Werbefirmen die Effektivität ihrer Einschaltungen darzulegen. Erfasste Rechnungen dienen als Beweis für Käufe, die durch sie zustande gekommen seien.

Scan ist abschaltbar

Oath betont, dass die aktuelle Umsetzung der Scans der europäischen Datenschutzgrundverordnung entspricht. Dass diese Scans durchgeführt werden, ist einigen Nutzern aufgefallen, als man im April die Nutzungsbedingungen aktualisierte und die Neuerungen zu bestätigen waren.

Pläne, die Auswertung von Nutzer-Mails einzustellen hat man nicht. Jedoch verweist man darauf, dass man einen kostenpflichtigen und werbefreien E-Mail-Service anbietet und User der Gratisversion die Analyse abschalten können. Die entsprechenden Einstellungen finden sich im Yahoo Ad Interest Manager als auch bei den Privatsphäre-Einstellungen von Oath. (red, 29.08.2018)