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Wladimir Putins per TV-Ansprache zugebilligte Erleichterungen bei der Rentenreform dürften seit Monaten in der Schublade gelegen sein.

Foto: AP/Alexei Druzhinin

Am Ende kann es in Russland immer wieder nur einer richten: Wladimir Putin. Er ist oberster Richter und Schlichter im Streit der Beamten gegen das Volk. Die Pensionsreform ist ein Paradebeispiel dafür, wie er unpopuläre Maßnahmen anderen aufbürdet, um sich selbst hinterher als rettende Instanz zu profilieren. Beliebtester Blitzableiter in dem System ist Premier Dmitri Medwedew.

Monatelang gab es aus dem Kreml keinen Kommentar zu den Plänen, das Pensionsalter in Russland anzuheben – sieht man davon ab, dass Putin ausrichten ließ, ihn bekümmere, dass alle Reformvarianten schlecht seien. Dafür sei die Regierung verantwortlich, hieß es. Als schließlich ersichtlich wurde, dass das Ganze in einem politischen Debakel enden würde – die Reform lehnen 90 Prozent der Bevölkerung ab, was sogar Putins Rating zum Bröckeln brachte –, trat er den geordneten Rückzug an.

Seine dramatisch per TV-Ansprache zugebilligten Erleichterungen bei der Rentenreform dürften seit Monaten in der Schublade gelegen sein. Herausgeholt wurden sie kurz vor den Regional- und Lokalwahlen, bei denen sich die Unzufriedenheit der Bürger Bahn zu brechen drohte.

Das war taktisch geschickt und zugleich stilgetreu. Putin hat seinen Bürgern einmal mehr das Bild des guten Zaren und der bösen Bojaren gezeichnet. Aber warum sollte er auch darauf verzichten, wo ihm dieser Kniff schon fast 20 Jahre lang Popularitätspunkte einbringt. (André Ballin, 29.8.2018)