Dummerstorf/Wien – Hunde sind hervorragend darin, Emotionen in der menschlichen Mimik zu erkennen. Auch Pferde können unterscheiden, ob sie in ein zorniges oder in ein fröhliches Antlitz blicken – und reagieren sogar unmittelbar mit einem Anstieg der Herzfrequenz auf negative Gesichter. Doch wie sieht das bei Nutztieren aus, die nicht speziell als Begleiter oder für die direkte Zusammenarbeit mit dem Menschen selektiert wurden?

Forscher untersuchten erstmals, ob Ziegen die Mimik von Menschen lesen können.
Foto: Traxler

Forscher um Christian Nawroth vom Leibniz-Institut für Nutztierbiologie in Dummerstorf und Alan McElligott von der Queen Mary University in London sind dieser Frage nun erstmals bei Ziegen nachgegangen. In ihrer Studie in Royal Society Open Science untersuchten sie, ob und wie die Paarhufer Gesichtsausdrücke der Menschen erkennen können und ob sie dadurch ihr Verhalten ändern.

Lieber fröhlich

Das Ergebnis: Ziegen unterscheiden nicht nur, ob ein Mensch auf einem Bild fröhlich oder wütend dreinblickt. Sie zeigen auch eine deutliche Präferenz für freundliche Gesichter. Für ihr Experiment im britischen Buttercups Sanctuary, einem Heim für verwaiste und vernachlässigte Ziegen, wählten die Forscher zunächst 35 Tiere aus. 15 davon zeigten sich allerdings wenig begeistert von der Rolle als Probanden, es blieben also 20 motivierte Ziegen (acht Weibchen und zwölf Männchen) übrig.

Wer kann wütenden Menschen etwas abgewinnen? Ziegen jedenfalls nicht.
Foto: Traxler

Diese wurden mit großformatigen Porträtfotos von ihnen unbekannten Menschen konfrontiert: In jedem Versuchsdurchlauf waren je zwei Bilder vom Gesicht ein und derselben Person nebeneinander angebracht, auf einer Seite freundlich lächelnd, auf der anderen mit wütendem Gesichtsausdruck. Die Anordnung der Bilder und das Geschlecht der abgebildeten Personen variierten.

Verarbeitung im Gehirn

Es stellte sich heraus, dass die Tiere signifikant stärker auf die freundlichen Gesichter reagierten – sie näherten sich den Bildern an und berührten sie teilweise auch mit der Schnauze. Vor allem zeigten sie diese Präferenz, wenn sich das lächelnde Porträt auf der rechten Seite befand. "Das deutet darauf hin, dass Ziegen menschliche emotionale Ausdrücke mit der linken Gehirnhälfte verarbeiten", sagte Nawroth zum STANDARD.

Weitere Studien sollen auch physiologische Parameter wie die Herzfrequenz der Tiere berücksichtigen.
Foto: Traxler

In Folgestudien wollen die Forscher nun herausfinden, ob Ziegen tatsächlich verstehen, dass Gesichtsausdrücke für bestimmte menschliche Emotionen stehen. Wie bei früheren Forschungen mit Pferden könnte man etwa die Herzfrequenz messen, während die Tiere Bilder betrachten.

Und welche Konsequenzen ergeben sich aus den neuen Erkenntnissen? Nawroth: "Wir können jetzt zwar keine angewandten Tipps an Ziegenhalter geben, aber unsere Ergebnisse zeigen schon, dass gerade Nutztieren nicht unbedingt die intellektuellen Eigenschaften zugeschrieben werden, die sie tatsächlich besitzen." (David Rennert, 29.8.2018)