Michaela Urabl (li.) und Heidi Fuchs, beide von "Liebenslust", einem Zentrum für sexuelle Bildung, Kommunikations- und Gesundheitsförderung, flankierten Volksanwalt Günther Kräuter bei der Pressekonferenz.

Foto: Holzmann/Volksanwaltschaft

Wien – Menschen, die in Alten- und Pflegeheimen oder Betreuungseinrichtungen für Jugendliche mit und ohne Behinderung leben, "geben ihre Sexualität nicht an der Eingangstüre ab", sagt Michaela Urabl vom Zentrum für sexuelle Bildung, Kommunikations- und Gesundheitsförderung namens Liebenslust.

Urabl und die Liebenslust-Geschäftsführerin Heidi Fuchs unterstützten am Mittwoch Volksanwalt Günther Kräuter bei einer Pressekonferenz und seiner Forderung nach einem bundesweit einheitlichen sexualpädagogischen Konzept als Voraussetzung für die Anerkennung einer Einrichtung. Bisher ist ein solches nur in Niederösterreich, Tirol und Wien verpflichtend.

Unangekündigte Besuche

Bei unangekündigten Besuchen der Kommissionen der Volksanwaltschaft stoßen diese sehr oft auf den Umstand, dass ein Konzept – als Leitlinie für die Betreuer – entweder völlig fehle oder nur in einer Schublade liege. Es brauche noch sehr viel Bewusstseinsarbeit der Mitarbeiter, so Kräuter. Auch fehlende bauliche Maßnahmen und Personalmangel seien ein Problem, etwa wenn es darum geht, übergriffige Jugendliche von anderen zu trennen.

Ein Hauptproblem ist für Urabl, "dass es keinen gesellschaftlichen Rahmen dafür gibt, über Sexualität zu sprechen". Die Menschen könnten sich unter dem Thema Sexualität in Betreuungseinrichtungen nichts vorstellen, "nur wenn es zu gewaltsamen Handlungsmustern kommt". Dass es aber gar nicht erst so weit kommt, sei das Ziel einer sexualpädagogischen Schulung. Dabei soll auch für das Erkennen von Missbrauch sensibilisiert werden. Es gebe Indikatoren, wie "ein unangenehmes Gefühl, ein Machtgefälle" und die Frage, wie freiwillig etwas sei oder ob man "die Möglichkeit hat, sich einer Situation zu entziehen", so Urabl.

Kribbeln und weiche Knie

Man habe hier die "große Chance, Kindern und Jugendlichen, die schon früh Gewalt und Missbrauch erlebt haben, ein anderes, positives Bild von Sexualität zu vermitteln, eines, das nicht grenzüberschreitend ist", erklärt Urabl.

In der Prävention, die Teil jedes sexualpädagogischen Konzepts sein muss, soll daher das Selbstwertgefühl von Kindern und ihre Fähigkeit gestärkt werden, über ihre Gefühle und Körperempfindungen bei Verliebtheit zu sprechen: vom Kribbeln im Bauch bis zu den weichen Knien. Das erkennen und benennen zu können kann auch helfen, Nein zu sagen und die eigenen Grenzen aufzuzeigen und zu ziehen. (Colette M. Schmidt, 29.8.2018)