EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini tanzte in Wien auf zwei Hochzeiten: zuerst bei den Verteidigungsministern, dann in der Hofburg.

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Aus Sicht der Bürger ist die gemeinsame EU-Politik an sich keine leicht zu durchschauende Sache. Ganz besonders gilt das beim Migrationsproblem. Dieses trifft jeden der 28 Mitgliedsstaaten auf sehr verschiedene Weise. Es reicht in innere Sicherheit, Sozialpolitik oder etwa Außen- und Sicherheitspolitik weit hinein. Für die Regierungen ist es seit drei Jahren, als der ungeregelte Zuzug von Migranten nach Europa aus den Fugen geriet, schwer zu managen.

Dass man alles noch einen Dreh komplizierter machen kann, führte die österreichische Regierung am Donnerstag im Zuge ihres EU-Ratsvorsitzes in Wien vor. Sie hatte zu informellen Treffen der Verteidigungs- und der Außenminister geladen. Die Sitzungsführung obliegt der dafür zuständigen Hohen EU-Beauftragten für die Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini. Normalerweise tagen die Räte überschneidend oder gemeinsam, so wie vor einem Jahr, als unter estnischem EU-Vorsitz in Tallinn die engere EU-Militärkooperation beschlossen wurde. 2018 wird die politische Agenda wieder stark vom Migrationsproblem bestimmt, insbesondere, seit die rechtspopulistische Regierung in Rom permanent mit Abweisung von Schiffen mit Flüchtlingen von ihren Häfen und Drohungen gegen die EU-Partner für Unruhe sorgt.

Ausstieg angedroht

So legte Vizepremier und Lega-Innenminister Matteo Salvini nach: Sein Land könnte aus der militärisch gestützten Operation Sophia aussteigen, wenn andere EU-Staaten nicht auch verpflichtend Boote in die Häfen lassen. Außenminister Enzo Moavero Milanesi brachte den Vorschlag mit, dass Sophia im Kampf gegen Schlepper und Menschenhandel reformiert werden solle. Nicht zuletzt sollten Bootsflüchtlinge direkt nach Nordafrika zurückgebracht werden können.

Ein solches Vorgehen ist laut Mogherini aus EU-rechtlichen Gründen nicht so einfach. Über all das hätten die Verteidigungsminister (deren Marinen neben Küstenwachen und EU-Grenzschutzbehörde Frontex operativ mitspielen) mit den Außenministern in Ruhe reden können.

Das Problem war nur: Die beiden Treffen fanden an zwei verschiedenen Orten statt. Mogherini musste zwischen den Heeresministern im Austria Center Vienna jenseits der Donau und der Hofburg im Zentrum pendeln, so wie der mediale Begleittross. Das Thema Migration überlagerte alles andere etwas chaotisch.

Transdanubien und Hofburg

So präsentierte Österreichs Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) als EU-Ratspräsident den Vorschlag, dass Soldaten zum Grenzschutz eingesetzt werden sollten. Dem erteilte seine deutsche Kollegin Ursula von der Leyen eine Absage. Nach deutschem Gesetz sei die Polizei zuständig.

In der Hofburg bekräftigte der Italiener Milanesi die Forderung, dass Sophia ausgedehnt werde, was der deutsche Außenminister Heiko Maas brüsk ablehnte und einforderte, dass alle EU-Staaten ihren Pflichten nachkommen müssten. Mogherini hatte zuvor jenseits der Donau erklärt, dass niemand Sophia infrage stelle, sie solle modifiziert werden. Es brauche "Klarheit, Führung", eine "konstruktive Einstellung".

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn hatte das nicht gehört, attackierte schon bei der Ankunft den EU-Vorsitz: Nur acht Länder hätten freiwillig Flüchtlinge aus Italien aufgenommen. Österreich ist nicht darunter. Das fand er "nicht richtig, kein Beispiel", wenn ein Land im EU-Ratsvorsitz sich so verhalte. Außenministerin Karin Kneissl als Gastgeberin sagte, es brauche Reformen der Asylregeln von Dublin und von Schengen, dem Abkommen zu Grenzkontrollen. Das seien "legale Fiktionen" geworden.

Am Abend wurde über andere weltpolitische Themen diskutiert – Syrien, Iran-Abkommen, US-Sanktionen, Russland. Ohne formelle Entscheidungen. (Thomas Mayer, 30.8.2018)